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Wiederaufbau in L’Aquila : Das Reizwort Berlusconi

  • -Aktualisiert am

Kein Blick nach vorn: An einer der noch immer baufälligen Fassaden L’Aquilas hängen Bilder von Menschen, die das Erdbeben vor zehn Jahren erlebt haben. Bild: dpa

Zehn Jahre nach dem Erdbeben von L’Aquila ist nun klar, dass es die versprochene Rückkehr in die frühere Welt nicht geben wird. Der Wiederaufbau der italienischen Stadt verzögert sich weiter – dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen.

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          Das Erdbeben von 2009 ist für die Bewohner von L’Aquila und Umgebung immer noch auf doppelte Weise traumatisch. Am Jahrestag des Bebens am 6. April dachten die „Aquilani“ besonders intensiv daran, dass ihr Leben in wenigen Minuten aus der Bahn geworfen wurde und 309 Tote unter den Trümmern zurückblieben. Zehn Jahre nach dem Unglück zeigt sich nun, dass es die erhoffte und versprochene Rückkehr in die frühere Welt nicht geben wird. Aus diesem Grund waren die Gedenkfeiern in der Region Abruzzen zum Zeitpunkt des Erdbebens um 3.32 Uhr morgens diesmal mit besonders viel Nostalgie und dem Abschied von der Vergangenheit durchsetzt. „Noch immer versuchen viele, ihr Trauma zu verarbeiten, indem sie bei Zusammenkünften, die eigentlich der Planung der Zukunft dienen sollten, viel von eigenen Erlebnissen und der Vergangenheit sprechen“, sagt Marzia Masiello. Nach dem Erdbeben fungierte sie als Sprecherin des Bürgervereins von Onna, einem besonders schwer getroffenen Vorort L’Aquilas.

          Tobias Piller
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Das zweite Trauma betrifft die Reaktion der italienischen Institutionen während der zwölf Monate nach dem Erdbeben. Aus dieser Zeit rührt noch immer eine Spaltung der Gesellschaft L’Aquilas, bis heute bestimmt diese Spaltung, wie das Ereignis interpretiert wird und wie die Verzögerungen beim Wiederaufbau erklärt werden. In dieser Woche beginnt die Ausstrahlung eines Spielfilms rund um die Region nach dem Erdbeben, in dem ein fiktiver Bauspekulant auftritt, der sich gewaltige Verdienste davon erhofft, L’Aquila anders aufzubauen, als es früher einmal war. So einen Baulöwen hat es bisher in der Stadt nicht gegeben, doch nachträglich dient die Geschichte dazu, die Entscheidung des früheren linken Bürgermeisters Massimo Cialente zu legitimieren, alles so aufzubauen, „wie und wo es war“. Das links orientierte Magazin „Espresso“ schreibt, dass für den Wiederaufbau bisher 7,2 Milliarden Euro ausgegeben worden seien, für die Verwaltung der Provisorien dagegen mehr als acht Milliarden Euro. Seine Schlussfolgerung: „Das ist der Preis der Show Berlusconis, den wir immer noch bezahlen.“

          Nach dem Erdbeben im Jahr 2009: Auch heute ist die Stadt noch Jahre von einem normalen Alltag entfernt.
          Nach dem Erdbeben im Jahr 2009: Auch heute ist die Stadt noch Jahre von einem normalen Alltag entfernt. : Bild: Reuters

          Zufällig fiel das Jahr des Erdbebens zusammen mit dem Höhepunkt des Einflusses Silvio Berlusconis, der 2008 nach seinem Wahlsieg an die Macht zurückgekehrt war. Gleichzeitig erlebte der „Anti-Berlusconismus“ seinen Höhepunkt, der einen Gegenentwurf nicht nur zur Regierung Berlusconis, sondern auch zur Arbeit des Katastrophenschutzes lieferte. Wenige Tage nach dem Erdbeben spielten regierungskritische Staatsanwälte den Medien einen Ausschnitt von abgehörten Telefongesprächen zu. Das Nebenprodukt der Korruptionsermittlungen wies nicht auf strafbare Handlungen hin, stellte aber einen Gipfel der Geschmacklosigkeit dar: „Als ich das Erdbeben spürte, hüpfte mein Herz vor Freude beim Gedanken an all die künftigen Bauaufträge“ – das sagte ein abgehörter Bauunternehmer dem anderen. Die Verantwortung für derartige Äußerungen wurde dem Geschäftemacher Berlusconi zugeschrieben, weshalb später dessen Gegner vor dem Sitz des Katastrophenschutzes in L’Aquila skandierten: „Um 3.32 Uhr habe ich nicht gelacht.“

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