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Vulkan auf La Palma : Wie ein glühender Tsunami

Unaufhaltsam: Einer der Lavaströme fließt in Richtung von La Laguna, wo 300 Einwohner in Sicherheit gebracht wurden. Bild: Reuters

Rund acht Prozent der gesamten Insel sind durch den Vulkanausbruch auf La Palma bereits zerstört. „Wir sind ­diesem Vulkan ausgeliefert“, sagt der Regionalpräsident.

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          Die Erde bebt, der Vulkan gibt einfach keine Ruhe. Gut zwei Dutzend Erdstöße wurden auf La Palma in nur 24 Stunden registriert. Einer davon mit einer Stärke von 4,5 war am frühen Freitagmorgen auf der ganzen Insel zu spüren. Unaufhaltsam bewegen sich zwei große Lavaströme im Westen der Insel in Richtung Atlantik. Nachdem die Nordflanke des Vulkan­kegels zusammengebrochen ist, tritt noch mehr und heißere und dünnflüssigere Lava aus. Am Donnerstag lief der neue Trichter über, große Mengen flossen über den Rand. Beobachter fühlten sich an einen glühenden Tsunami erinnert.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Die beiden großen Ströme haben sich auf ihrem Weg zum Atlantik aufgefächert: Eine der Zungen begrub im ­Norden ein Gewerbegebiet unter sich und strömt in Richtung von La Laguna, wo weitere 300 Einwohner in Sicherheit gebracht wurden. Insgesamt mussten bisher 6800 der insgesamt 85.000 Ein­wohner der Insel ihre Häuser verlassen. Rund 1500 Gebäude wurden schon zerstört, fast 700 Hektar Land sind betroffen – rund acht Prozent der gesamten Insel.

          „Er wird uns sagen, wann es zu Ende ist“

          Der kanarische Regionalpräsident Ángel Víctor Torres hat es aufgegeben, Voraussagen zu machen: „Wir sind ­diesem Vulkan ausgeliefert. Er wird uns sagen, wann es zu Ende ist.“ Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Ausbruch bald vorüber sein könnte. Nach Angaben des Notfallkomitees Pevolca stößt er jeden Tag bis zu 17.000 Tonnen Schwefeldioxid aus. Erst wenn es weniger als hundert Tonnen seien, könne man von einem Nachlassen der Eruptionen sprechen, sagte eine Sprecherin. Die Schwefel­dioxidwolke erreichte am Freitag das ­spanische Festland und bedeckte einen großen Teil Marokkos und Algeriens, wie auf Satellitenaufnahmen zu sehen war.

          Menschen säubern ein Haus von der Asche des Vulkans in Las Manchas.
          Menschen säubern ein Haus von der Asche des Vulkans in Las Manchas. : Bild: dpa

          Auf La Palma war am Freitag der Flughafen geöffnet. Wegen des Ascheregens war der Betrieb in den vergangenen Wochen immer wieder eingestellt ­worden. Die pechschwarze Asche macht immer mehr Menschen zu schaffen. „Rund um unser Haus türmt sie sich zwei Meter hoch auf und reicht praktisch bis zum Dach“, sagt Dörthe Onigkeit am Telefon. Sie musste ihr Haus in Las ­Manchas gleich nach dem Ausbruch ­verlassen und ist seitdem dreimal um­gezogen. Feuerwehrleute und Soldaten schippten die Asche von den Dächern, um zu verhindern, dass diese zusammenbrechen. „Aber wohin mit diesen Aschebergen, das ist eine Katastrophe“, fragt Onigkeit, die wie viele der Einwohner der seit Wochen andauernden Erdstöße und des Lärms des Vulkans müde ist.

          Sie könnte jedoch mehr Glück haben als ihr Chef, Michael Nguyen, der Gründer und Geschäftsführer von „La Palma 24“. Dem Wohnhaus des Deutschen, der seit Jahren auf der Insel lebt, nähert sich der neue Lavastrom in La Laguna immer schneller. Das Bürogebäude der Firma, die Ferienunterkünfte vermittelt, Autos verleiht und ein Onlineportal betreibt, hat er im Nachbarort Todoque schon verschlungen – wie 29 Ferienhäuser und -wohnungen unterhalb des Vulkans, die sie bisher im Angebot hatten. Dörthe Onigkeit sagt: „Viele buchen um und fragen, ob sie überhaupt Anfang 2022 anreisen können.“ Ihr Rat lautet: „Bitte kommt wieder, wenn der Vulkan aufhört.“ Schließlich seien weniger als zehn Prozent der Insel betroffen. Auf ihrem Vermittlungsportal stünden immer noch mehr als 450 Objekte zur Verfügung. Laut Presseberichten wurden auf La Palma im Oktober zwischen 60 und 80 Prozent aller Buchungen storniert. Das Auswärtige Amt rät wegen der Gefahr giftiger Gase von nicht notwendigen touristischen Reisen nach La Palma derzeit ab.

          Ein Tankschiff bringt Trinkwasser

          Die Rückkehr der Touristen ist für die Insel überlebenswichtig, denn ihr zweites wirtschaftliches Standbein wurde schwer getroffen. Die Lava überflutet gerade ihre fruchtbarsten Bananenplantagen, die für viele Jahrzehnte verloren sein werden. Die Asche bedroht die Ernte auch auf weiter entfernt liegenden Anbauflächen, auf denen neben den Bananen auch Weintrauben und Avocados wachsen. Bauern und Behörden versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Am Freitag traf in Tazacorte ein Tankschiff mit Trinkwasser ein. Der Vulkan hat das Bewässerungssystem in den ­Plantagen und die wichtigsten Zugangsstraßen buchstäblich durchschnitten.

          Die Lava hat auch Ställe und ganze Bauernhöfe in einem der wichtigsten Viehzuchtgebiete der Insel mit sich ge­rissen. Hunderte Tiere wurden aus der Gefahrenzone geborgen. Für gut 130 wurde das Gelände, auf dem gerade die jährliche Züchtermesse vorbereitet worden war, zu einer Art Arche Noah. Mit Bastplanen vor der Sonne und dem Ascheregen geschützt, haben dort Esel, Ziegen, Schafe, Hühner, Schweine, Kaninchen Unterschlupf gefunden. Nur einige Haustiere hatten es nicht mehr in Sicherheit geschafft. Mit Drohnen versorgen Tierschützer darum im Stadtteil El Paraíso vier Hunde mit Wasser und Futter. Sie wurden aus der Luft an einem Wasserbassin entdeckt, das von der Lava eingeschlossen ist – wie an einem anderen Ort eine Katze. Nun wird geprüft, ob es möglich ist, die Tiere auszufliegen.

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