
Kapitän zur See außer Dienst : „Das U-Boot müsste jetzt dringend an die Oberfläche“
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Kriegsschiff auf der Suche nach dem vermissten U-Boot. Bild: AFP
Hannes Ewerth war Kommandeur der U-Boot-Flottille der Bundesmarine – und selbst mal an Bord des argentinischen U-Boots „ARA San Juan“, das immer noch verschollen ist. Ein Interview über schwindende Hoffnung, Möglichkeiten der Ortung und Feuer an Bord.
Die „ARA San Juan“ ist seit einer Woche verschwunden. Inwieweit gibt es noch Hoffnung, dass die Besatzungsmitglieder lebend gefunden werden?
Sie wird von Stunde zu Stunde geringer, weil die Atemluft an Bord schlechter wird und das Boot nur Sauerstoff für insgesamt sieben Tage hat. Es müsste also dringend an die Oberfläche, um Frischluft zu tanken.
Man kann davon ausgehen, dass es gesunken ist?
Es kann auch planmäßig den Grund angesteuert haben. Die große Frage ist, wieso es nicht auftauchen kann. Normalerweise ist es möglich, die Tauchzellen mit Druckluft auszudrücken, um so an die Wasseroberfläche zu kommen. Die Druckluftflaschen müssen aber mit einem Kompressor aufgefüllt werden und der braucht Elektrizität.
Es heißt, das Boot habe vor seinem Verschwinden ein Problem mit der Batterie gemeldet.
Grundsätzlich fährt das Boot elektrisch. Überwasser wird der Diesel angeschaltet, um die Batterie zu laden. Batterieprobleme können bedeuten, dass der Strom an Bord ausfällt. Sie können sogar zu einer Gasexplosion führen, wovon ich im Moment aber nicht ausgehe.
Die See im Atlantik soll sehr rau, die Wellen sechs, sieben Meter hoch gewesen sein.
Wenn es keinen Grund gibt, versucht man unter Wasser zu bleiben. Das ist das Glück des U-Boot-Fahrers, dass er bei schlechtem Wetter tauchen kann. Bei sieben Meter hohen Wellen ist es unter Wasser erst ab etwa 30 Metern Wassertiefe absolut ruhig. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch aufgetaucht fahren könnte, wenngleich das die unbequemste Möglichkeit ist und gerne vermieden wird.
Der Wellengang ist keine Erklärung für das Verschwinden?
Nein. Das Boot ist für Unterwasserfahrten unter hohem Druck ausgerichtet, insofern können Wellen ihm nichts anhaben.
Welche anderen Möglichkeiten gibt es?
Das Kritischste auf einem U-Boot überhaupt ist Feuer. Wenn Feuer ausbricht und nicht in kürzester Zeit gelöscht werden kann, verbraucht es innerhalb weniger Minuten den gesamten Sauerstoff im Boot. Noch gefährlicher ist eine Gasexplosion, zu der es kommen kann, weil bei der Ladung der Batterie Knallgas entsteht, das hoch explosiv ist. Dieser Fall ist eher unwahrscheinlich, weil die Batterie in einem geschlossenen Raum ist.
Gibt es noch weitere Möglichkeiten? Was ist mit der Bewaffnung?
Diese Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Gäbe es Schwierigkeiten mit den Torpedos, würde man sie über die vordere Mündungsklappe nach außen ausstoßen.
Die „ARA San Juan“ ist 1983 fertiggestellt worden.
Das ist ein hohes Alter für ein U-Boot. Es heißt aber, dass es modernisiert worden ist. Dabei ist wahrscheinlich die Batterie ausgetauscht worden.
Welchen Ruf haben die Boote dieser Bauserie?
Sie gelten als sehr zuverlässig. Sie sind eine Weiterentwicklung der Serie 205/206 der Bundesmarine. Vom Bauzustand und der Ausrüstung her sind sie absolut zuverlässig.
Vergleichbare Boote sind bei der Deutschen Marine nicht mehr im Einsatz, oder?
Die letzten Boote der Klasse 205/206 sind vor wenigen Jahren außer Dienst gestellt worden. Einige Boote wurden nach Südamerika verkauft und fahren dort nach einer Grundüberholung. Die neuen deutschen U-Boote haben eine Brennstoffzelle, um die Batterie zu laden. Die Boote können deutlich länger unter Wasser bleiben.
Gab es bei der Bundeswehr vergleichbare Szenarien?