
Polnische Messehalle eingestürzt : Zwei Deutsche unter den Toten von Kattowitz
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Die eingestürzte Halle - Erinnerungen an Bad Reichenhall Bild: dpa/dpaweb
Durch den Einsturz des Dachs einer Messehalle im südpolnischen Kattowitz sind mindestens 66 Menschen umgekommen, darunter zwei Deutsche. Angeblich waren viele Notausgänge verschlossen.
Wenige Wochen nach dem Eishallenunglück in Bad Reichenhall hat eine ähnliche Tragödie in Polen mindestens 66 Menschen das Leben gekostet. Während einer internationalen Taubenausstellung im Grenzgebiet zwischen Chorzow und Kattowitz im oberschlesischen Industriegebiet stürzte das Dach einer Messehalle ein. Zum Zeitpunkt des Unglücks befanden sich etwa 500 Menschen in dem Gebäude.
Bei Temperaturen um minus 17 Grad gaben die Rettungskräfte am Sonntag die Hoffnung auf, noch Überlebende zu finden, und brachen die Suche ab. Nach Angaben der Feuerwehr wurden mindestens 66 Menschen getötet und 160 verletzt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin sagte am Sonntag abend, nach derzeitiger Kenntnis seien zwei Deutsche - ein Mann und eine Frau - getötet und vier verletzt worden.
Einer der Toten war ein Taubenzüchter aus Bayern, wie die Polizei am Sonntag in Fürstenfeldbruck mitteilte. Es handelt sich demnach um einen 65 Jahre alten Mann aus dem oberbayerischen Altomünster. Er habe als Aussteller einen Stand in der Messehalle betrieben. (Siehe auch: Unglück in Kattowitz: Überlebende berichten)
„Wir kommen nicht an sie heran“
Bis zum Sonntag wurden 51 der Opfer identifiziert, wie die polnische Polizei mitteilte. Unter ihnen seien neben dem Deutschen auch Staatsangehörige aus den Niederlanden, Belgien, der Slowakei und Tschechien. Ein Regierungssprecher sagte, 13 Ausländer seien verletzt worden.
Die Retter hatten bei den Bergungsarbeiten zunächst auf schweres Gerät verzichtet, um die Verschütteten nicht zu gefährden. Am Sonntag sollten nun Maschinen eingesetzt werden, um die Halle ganz einzureißen. Schon seit kurz vor Mitternacht hatten die Retter nur noch Tote bergen können. Ein Feuerwehrsprecher sagte im Fernsehsender TVN24, weitere Tote seien unter den Trümmern lokalisiert worden, könnten aber derzeit nicht geborgen werden. „Wir kommen nicht an sie heran.“
Papst betet für Opfer und Hinterbliebene
Der polnische Präsident Lech Kaczynski rief eine bis zum Mittwoch dauernde Staatstrauer aus. Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz nahm mit Tausenden Menschen in Kattowitz an einem Gottesdienst für die Opfer teil. Papst Benedikt XVI. betete für die Opfer und erteilte den Hinterbliebenen und Verletzten seinen Segen. Ein Berater des polnischen Präsidenten sagte: „Eine Katastrophe wie diese ist in Polen niemals passiert.“
Mit Trauer und Betroffenheit haben am Sonntag auch ausländische Staatsoberhäupter und Politiker auf die Tragödie reagiert. Bundespräsident Horst Köhler schrieb in einem Kondolenztelegramm: „Tief betroffen verfolge ich die Nachrichten über den Einsturz der Messehalle in Kattowitz. Ich möchte Ihnen, auch im Namen meiner Landsleute, meine tief empfundene Anteilnahme aussprechen.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach den Opfern ihr „tief empfundenes Beileid“ aus. „Mit Bestürzung habe ich von dem Einsturz des Daches einer Messehalle in Kattowitz erfahren“, schrieb Merkel am Sonntag in einem Beileidstelegramm. „Meine Gedanken sind bei den zahlreichen Opfern und ihren Angehörigen. (...) Ich wünsche den Hinterbliebenen Trost und den Verletzten eine möglichst schnelle und vollständige Genesung.“
Nur zwei Notausgänge geöffnet?
Augenzeugen berichteten, in der etwa 10.000 Quadratmeter großen Halle seien nur zwei Notausgänge geöffnet gewesen. Etliche Menschen hätten versucht, mit Hilfe von Stühlen die Scheiben aus Sicherheitsglas einzuschlagen, sagte Franciszek Kowal. Schließlich sei eine der Scheiben zersprungen, und die Menschen hätten in Panik versucht, ins Freie zu gelangen.
Nach Angaben der Polizei brach das Dach unter einer schweren Schneelast zusammen. Der Anwalt des Hallenbesitzers sagte dagegen, das Dach sei regelmäßig vom Schnee befreit worden.
„Wir hörten ein Knacken“
Nach Zeugenangaben stürzte das Metalldach innerhalb weniger Sekunden ein. „Wir hörten ein Knacken wie beim Brechen eines Streichholzes“, sagte ein Überlebender dem Sender TVN24. „Die Leute gerieten sofort in Panik. Ich bin auch gerannt, etwas fiel auf mich, andere trampelten über mich hinweg, und ich konnte auf Händen und Knien herauskriechen.“
Polen erlebt derzeit den härtesten Winter seit mehreren Jahrzehnten. Wie auch in anderen Teilen Europas wurden dieses Jahr Temperaturen von minus 30 Grad gemessen. Insgesamt sind in Polen durch die Kälte fast 200 Menschen ums Leben gekommen. Der öffentliche Transport kam zeitweise zum Erliegen, Probleme bei der Gasversorgung wurden offenbar.
Am 2. Januar war in Bad Reichenhall das Dach der Eissporthalle unter schwerer Schneelast eingestürzt und hatte 49 Menschen unter sich begraben. 15 Menschen, die meisten von ihnen Kinder und Jugendliche, kamen unter den Trümmern um.
Einstürze größerer Gebäude:
Januar 2006. Weinige Tage vor Beginn der Moslem-Pilgerfahrt stürzt in Mekka eine Pilger-Herberge ein. 76 Menschen kommen ums Leben.
Januar 2006. Im bayerischen Bad Reichenhall stürzt das Dach einer Eissporthalle unter schwerer Schneelast ein und begräbt 49 Menschen unter sich. 15 Menschen, die meisten von ihnen Kinder und Jugendliche, sterben unter den Trümmern.
April 2005. In Bangladesch fällt ein neunstöckiges Gebäude einer Textilfabrik wegen Konstruktionsmängeln zusammen. Mindestens 74 Menschen sterben.
Mai 2004. Teile eines Dachs einer Abfertigungshalle am Pariser Flughafen Charles de Gaulle stürzt ein. Vier Menschen sterben.
Februar 2004. In Moskau stürzt die Glaskuppel eines Freizeitbades in der Vergnügungsanlage „Transwaal Park“ ein. 28 Menschen kommen ums Leben, 200 weitere werden verletzt.
Mai 2002. Im russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan stürzt ein Hallendach ein. Sechs Arbeiter sterben.