Nach Erdbeben in Nepal : Die Stupa glänzt schon wieder
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Verzögerter Wiederaufbau: Die Bewohner des kleinen Himalaja-Dorfs Kyanjing Gompa mussten lange auf Hilfe warten. Bild: Karl Gabl
Bald jährt sich das schwere Erdbeben in Nepal zum fünften Mal. Der Wiederaufbau geht schleppend voran, auch weil Gelder versickern.
Wenn Lhakpa Tamang Jangba von dem Erdbeben erzählt, das am 25. April 2015 den Himalaja erschütterte, dann erzählt er nicht nur vom Schrecken der Staublawine, die vom 7227 Meter hohen Langtang Lirung über Kyanjing Gompa hinwegfegte und das Dorf in 3860 Metern Höhe zerstörte. Dann ist auch die Rede vom Kampf gegen die Regierung und dem Wiederaufbau des Dorfs. „Besonders schlimm waren die ersten Tage. Touristen wurden von der Regierung mit Hubschraubern ausgeflogen. Um die verletzten Einheimischen kümmerten sie sich nicht. Dagegen sind wir auf die Barrikaden gegangen.“ An Tag vier nach der zerstörerischen Lawine wurde auch Lhakpa Tamang Jangba aus seinem Dorf, das drei Tagesmärsche von der nächsten Straße entfernt liegt, nach Kathmandu gebracht. Schwierig war es für ihn und die anderen jedoch, wieder nach Hause zurückzukehren.
Der Grund: Das Nachbardorf Langtang war von einem riesigen Felssturz zerstört worden, durch den 243 Einheimische und Touristen ums Leben kamen. Das Dorf liegt unter einem Trümmerfeld aus Granit begraben. Noch immer hat sich das Material nicht vollständig gesetzt. Der Weg über den Schuttkegel muss regelmäßig neu angelegt werden. Weil in den ersten Monaten nach der Katastrophe weitere Felsstürze nicht auszuschließen waren, wollte die Regierung die Menschen nicht zurücklassen, es gab keine Aufbauhilfe. Erst ein halbes Jahr später durften die Bewohner wieder zurück. Vor allem mit Unterstützung aus dem Ausland wurden die Dörfer Langtang und Kyanjing Gomba schließlich wiederaufgebaut. Die Gästehäuser sind heute größer und komfortabler als zuvor. Mittlerweile kommen wieder so viele Touristen in das Tal wie vor dem Erdbeben.
Fast fünf Jahr nach den verheerenden Ereignissen, ist das Erdbeben der Stärke 7,8, durch das in Nepal fast 9000 Personen ums Leben kamen, mehr als 22.000 verletzt und 600.000 Häuser zerstört wurden, in den Köpfen der Menschen noch immer präsent. In der Hauptstadt Kathmandu sind die Schäden noch überall zu sehen. Auch wenn die vom Erdbeben stark beschädigte Stupa von Bodnath, das im 14. Jahrhundert erbaute heiligste buddhistische Monument außerhalb Tibets, mit Hilfe aus dem Ausland innerhalb von nur wenigen Monate instand gesetzt werden konnte, sind die Arbeiten an den anderen historischen Stätten noch in vollem Gang. Am Durbar-Platz wird gehämmert, gesägt und geklopft. Die Wände des alten Königspalasts sind mit Holzstützen abgesichert. Der Basantapur-Turm, Teil des Palasts, wird mit chinesischer Unterstützung saniert. Die Arbeiten sollen bis September 2022 abgeschlossen sein, wie auf einem großen Transparent zu lesen ist.
Ein ähnliches Bild präsentiert sich auf dem Hauptplatz der alten Königsstadt Bhaktapur. „Vier Monate noch“, sagt der Steinmetz, der vor uns auf dem Boden kauert und Steine sortiert. Vier Monate Arbeit habe er noch, dann sei auch der Vatsala-Durga-Tempel, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im südindischen Stil erbaut und 2015 fast vollständig zerstört worden war, wieder aufgebaut. Steine des ursprünglichen Tempels, die noch zu gebrauchen waren, wurden wieder verbaut, vieles müsse aber ersetzt werden, erzählt der Steinmetz. Nur ein paar Meter davon entfernt ist am Nyatapola-Tempel, mit fünf Stockwerken die höchste Pagode des Kathmandu-Tals und von der Unesco 1979 auf die Welterbeliste aufgenommen, ein Dutzend Männer gerade damit beschäftigt, ein Gerüst aus Bambus zu errichten. Zwar hat der Tempel, der der hinduistischen Glücksgöttin Lakshmi gewidmet ist, das Erdbeben weitgehend ohne Schäden überstanden, aber ein paar Reparaturen hat auch er noch nötig.
Vielen gehen die Arbeit zu langsam. „Für den chinesischen Staatspräsidenten, der Anfang Oktober zu Besuch war, wurde in Kathmandu innerhalb von wenigen Tagen eine Straße asphaltiert, die jahrelang eine Schotterpiste war. Für so hohen Besuch arbeitet die Regierung schnell. Sonst geht nichts voran“, sagt einer, der namentlich nicht genannt werden will. Hört man sich in Nepal um, dann ist immer wieder die Korruption in Thema. Durch das Erdbeben sei viel Geld in das Land gekommen, doch das von der Regierung verteilte Geld sei nicht immer dort angekommen, wo es gebraucht wurde. „Schauen sie sich die vielen und großen Autos an, die heute auf den Straßen Kathmandus unterwegs sind. Da fährt das Geld, das für den Wiederaufbau bestimmt war.“ Menschen die das Geld hätten weitergeben sollen, hätten sich bereichert, lautet der Vorwurf, der immer wieder zu hören ist.
„Durch unsere guten Kontakte im Land können wir garantieren, dass jeder Euro dort ankommt, wo er gebraucht wird. Die von uns unterstützten Projekte machen eine Endabrechnung bis zwei Stellen hinter dem Komma“, sagt Günther Strödel, der Vorsitzende der Namaste-Stiftung mit Sitz in Gilching bei München. Als die nepalesische Regierung ankündigte, sämtliches Geld, das nach dem Erdbeben von verschiedenen Ländern und Hilfsorganisationen nach Nepal geflossen war, in Summe fast vier Milliarden Euro, durch die Behörden verteilen lassen zu wollen, habe das bei der Stiftung zu einem spürbaren Anstieg des Spendenaufkommens geführt. „Es gab eine überwältigende Spendenwelle in Deutschland“, sagt Strödel. 800.000 Euro Soforthilfe hat die Namaste-Stiftung – nach eigenen Angaben eine der größten deutschen Nichtregierungsorganisationen, die in Nepal aktiv ist und die von rund 4000 Spendern regelmäßigen unterstützt wird – in den ersten Tagen nach dem Erdbeben für die Versorgung der Opfer zur Verfügung gestellt. Insgesamt wurden von der Stiftung nach dem Erdbeben 1,6 Millionen Euro ausbezahlt.
Auch wenn die Schäden in den von der Stiftung unterstützten Projekten weitgehend behoben sind und Schulen, Krankenstationen und auch Häuser wieder aufgebaut wurden, gebe es immer noch genug zu tun in Nepal, einem der ärmsten Länder der Welt, sagt Strödel. Die Hilfe werde nicht nur gerne genommen, sie trage auch zu einem besseren Leben bei. „Die Menschen in Nepal sind erfolgs- und zielorientiert und bestrebt, das Beste aus der Hilfe zu machen, die sie bekommen.“