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Türkisches Erdbebengebiet : „Die internationalen Teams sind inzwischen wieder abgereist“

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Erstes Gebet im Ramadan: Vor der zerstörten Moschee in Kahramanmaras kommen die Gläubigen im Freien zusammen. Bild: EPA

Charlotte von Lenthe vom Deutschen Roten Kreuz kam gleich nach dem Erdbeben in die Türkei. Im Interview spricht sie über die Versorgungslage sechs Wochen nach dem Beben.

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          Frau von Lenthe, Sie arbeiten als regionale Programmkoordinatorin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Beirut. Gleich nach dem Erdbeben kamen Sie in die Türkei, um im Katas­trophengebiet und in Ankara die Hilfen des DRK und die Zusammenarbeit mit dem Türkischen Roten Halbmond zu koordinieren. Wie ist die humanitäre Lage sechs Wochen nach dem Erd­beben?

          Dramatisch ist sie weiterhin bei der Unterbringung und bei der Essens­versorgung. Tausende Menschen haben keine permanente Unterkunft, sie sind ohne Strom und Wasser, sie können nicht vernünftig kochen. In den Dörfern kampieren Menschen vor ihren zerstörten Häusern. Es gibt Geisterstädte, die nicht mehr bewohnt werden können.

          Was wird am meisten gebraucht?

          Solange sich die Menschen nicht selbst versorgen können, solange sie in Zelten leben und nicht für sich selbst kochen können, ist die tägliche Grundversorgung, die reine Abdeckung der Grund­bedürfnisse am wichtigsten. Spricht man mit den Betroffenen und mit den Freiwilligen, dann bemerkt man auch das Trauma, das verarbeitet werden muss. Wer von der ersten Minute an geholfen hat, gerät selbst in den Modus einer sehr angespannten Stimmung.

          Jetzt in der Türkei: Charlotte von Lenthe ist Programmkoordinatorin des Deutschen Roten Kreuzes.
          Jetzt in der Türkei: Charlotte von Lenthe ist Programmkoordinatorin des Deutschen Roten Kreuzes. : Bild: Privat

          Was schätzen Sie, wie lange wird die Soforthilfe dauern?

          Von Monaten wird gesprochen, auch von einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Es wird dauern, bis sich Menschen wieder selbst versorgen können. Es wird sehr lange dauern, bis sie wieder in eigenen Häusern leben können. Die akute Grundhilfe im Sinne von Essensversorgung könnte parallel dazu abnehmen, je mehr Menschen dann in permanenten Unterkünften leben.

          Was folgt danach?

          Wichtig ist, eine dauerhafte Lösung für die Unterbringung zu finden, damit die Menschen wieder eigenständig für sich selbst sorgen können. Dieser Wiederaufbau liegt zwar außerhalb der humanitären Hilfe. Bei der dann notwendigen finanziellen Unterstützung derer, die wieder in feste Wohnungen ziehen, kann Unterstützung aus dem Ausland helfen.

          Sind internationale Teams im Gebiet?

          Während der Rettungs- und Bergungs­phase waren aus aller Welt viele internationale Teams angereist, sie haben Menschenleben gerettet. Sie sind inzwischen wieder abgereist, auch die Zahl der freiwilligen Helfer aus dem Ausland nimmt langsam ab. Umso wichtiger ist es nun, die örtlichen Organisationen und NGOs zu unterstützen und zu ­stärken.

          Werden weiterhin ausländische Helfer gebraucht?

          Wir sind als DRK hier, um den Türkischen Roten Halbmond mit seinen Tausenden von Mitarbeitenden und Freiwilligen zu unterstützen. Weitere NGOs sind mit ihren Expertisen hier tätig. Sie betreiben – koordiniert durch das türkische Gesundheitsministerium – beispielsweise Feldkrankenhäuser, die bis zum Wiederaufbau des Gesundheitswesens die Türkei im Rahmen des nationalen Katastrophenplans unterstützen.

          Wie läuft die Abstimmung mit den türkischen Behörden?

          Zur Unterstützung syrischer Geflüchteter in der Türkei hatten wir mit dem Türkischen Roten Halbmond bereits vor dem Erdbeben eine sehr enge Partnerschaft. Darauf bauen wir auf. Im Rahmen des nationalen Katastrophenplans teilt die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad einzelne Aufgaben zu. So hat der Türkische Rote Halbmond die führende koordinierende Rolle bei der Essensversorgung. Komplementär hat der Türkische Rote Halbmond eine unterstützende Rolle bei den Unterkünften, im sozialen Bereich und in der Logistik sowie einen kleinen komplementären Teil in der ärztlichen Grundversorgung, auch bei der Verteilung von Hygieneartikeln und Schlafdecken. So greift die Koordination der nationalen, regionalen und lokalen Ebenen in­einander.

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