Nach der Hochwasserkatastrophe : Tonnenweise Müll und Seuchengefahr
- -Aktualisiert am
Verwüstung in Ahrtal Bild: dpa
Nach dem Hochwasser befinden sich im Kreis Ahrweiler weiterhin große Mengen Müll. Laut dem Landrat besteht Seuchengefahr. In Nordrhein-Westfalen entspannt sich die Lage – doch von Normalität kann noch nicht die Rede sein.
Im Katastrophengebiet im rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler befinden sich weiterhin enorme Mengen Müll. Breitflächig hatten die Fluten zerbeulte Autos, Teile von Häusern und Brücken sowie die Einrichtung aus den Gebäuden im Tal verteilt. Vor den Hauseingängen türmen sich nun allerorts verschlammte Gegenstände, die von den Anwohnern hinausgeräumt wurden. Der Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), warnte am Montag, der Müll sei „infektiös“: „Da besteht Seuchengefahr.“ Vielerorts wurden nun zudem Häuser, die als einsturzgefährdet bewertet wurden, durch die Rettungskräfte eingerissen. Auch diese riesigen Schuttberge müssen aus dem zum Teil sehr engen Tal hinaustransportiert werden.
Nachdem zwei Tage gezielt Müll und Unrat rausgefahren wurde, zeige sich nun ein „erstes Vorankommen“, sagte ein Polizeisprecher in Koblenz am Dienstagmorgen. Am Wochenende war der Abtransport kaum möglich gewesen. Es habe eine „chaotische Verkehrssituation“ geherrscht, sagte Begona Hermann, die stellvertretende Präsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) des Landes Rheinland-Pfalz. Die Behörde leitet den Einsatz vor Ort. Der Abtransport des Mülls wie die Zufahrt der Rettungskräfte hätten überhaupt nicht mehr funktioniert. Daher untersagten die Behörden vorerst bis Freitag den Individualverkehr in der Region für Privatleute von auswärts. Weiterhin sind trotzdem Tausende auch private Helfer im Einsatz, die mit Shuttle-Bussen in die betroffenen Städte gefahren werden. Der Einsatz der privaten Helfer sei „ausdrücklich erwünscht“, sagte Hermann.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) sprach von einer Hilfsbereitschaft aus der gesamten Republik „wie es sie noch nie gegeben hat“. Lewentz korrigierte die Zahl der noch vermissten Personen am Montag nach unten, sie liegt demnach bei 74. Noch am Wochenende war die Zahl mit 150 Personen beziffert worden. Ums Leben kamen 132 Menschen, 766 wurden verletzt. 68 der 132 Toten sind bisher nach Angaben von Lewentz identifiziert. Möglich ist, dass Todesopfer in den Rhein getrieben wurden, die Ahr hatte zum Zeitpunkt der Katastrophe eine enorme Fließgeschwindigkeit. Die Identifizierung soll nun auch mit einem DNA-Vergleich erfolgen. Lewentz bezeichnete es aber als „schwierig, an DNA-Material zu kommen, wenn beispielsweise Häuser nicht mehr da sind“. Er kündigte an, dass nun Service-Busse zum Einsatz kämen mit Bürgeramtskoffern der Bundesdruckerei, um den Menschen in der Region provisorische Papiere auszustellen. Diese sind auch für das Abrufen von Hilfsgeldern notwendig.
Viele Orte ohne Strom, Wasser und Handyempfang
Immer noch sind in den betroffenen Gebieten viele Orte ohne Strom- und Wasseranschluss, auch gibt es weiterhin vielerorts keinen Handyempfang. Mehr als 60 Brücken in der Region wurden zerstört. Die Bundeswehr hatte zunächst sogenannte Pionierbrücken errichtet, die nun nach und nach durch provisorische Brücken ersetzt werden sollen. Nach Angaben von Hermann von der ADD muss dann in einem dritten Schritt geprüft werden, wo überhaupt langfristig Brücken wiedererrichtet werden sollen.
In Nordrhein-Westfalen entspannt sich die Lage nach dem Hochwasser vielerorts. Von Normalität sind allerdings noch viele Orte entfernt; so hat etwa der Rhein-Erft-Kreis am Dienstag darauf hingewiesen, dass das Leitungswasser im besonders betroffenen Stadtteil Erftstadt-Blessem, südwestlich von Köln, weiterhin abgekocht werden muss. In dem Ort, wo viele Häuser durch eine abgerutschte Kiesgrube zerstört wurden, durften am Dienstag Anwohner für eine Stunde in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren. Nahe der Abbruchkante der unterspülten Kiesgrube konnten sie Kleidung und Wertgegenstände holen. Damit die Häuser trocknen können und möglichst wenig Schimmel entsteht, sollten sie auch die Fenster aufmachen und die Rollläden halb herunterlassen.
Am Mittwoch will Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser sich in der ebenfalls stark vom Hochwasser betroffen Stadt Stolberg nahe Aachen ein Bild von der Lage machen. Gemeinsam mit dem Bürgermeister und Vertretern des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RWTH Aachen sowie dem Wasserverband Eifel-Rur will die Ministerin über Konsequenzen und Folgen des Hochwassers sprechen.