Gebäude steht in Flammen : Bewohner warnten vor mangelndem Brandschutz
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Mit einem Kleidungsstück versucht ein Bewohner des brennenden Hauses auf sich aufmerksam zu machen. Bild: AFP
Die Feuerwehr in London warnt davor, über die Ursache des verheerenden Hochhaus-Brandes zu spekulieren. Eine Anwohnervereinigung erhebt trotzdem schwere Vorwürfe gegen die Bezirksverwaltung, der das Haus gehört.
Sie werden nicht sagen können, dass wir sie nicht gewarnt hätten.“ Es ist der letzte Satz eines Blogbeitrags vom vergangenen November, der in den nächsten Tagen und Wochen wohl noch oft zitiert werden wird. Bereits 2013 hat die Anwohnervereinigung „Grenfell Action Group“, in der sich Bewohner aus dem westlichen Lancester zusammengeschlossen haben, vor schlechtem Brandschutz im Grenfell Tower in London gewarnt. In der Nacht auf Mittwoch kam es tatsächlich zu einer Katastrophe: Das 24-stöckige Hochhaus ging in Flammen auf, noch am Morgen sollen viele Menschen eingeschlossen gewesen sein, mehr als 50 Menschen wurden in Krankenhäuser gebracht, es gibt mehrere Tote.
Im Schlaf überrascht : Tote und Verletzte bei Hochhausbrand in London
Londons Feuerwehrchefin Dany Cotton warnte davor, über die Ursache des verheerenden Brandes zu spekulieren. „Wir werden in den kommenden Stunden und Tagen sorgfältig nach dem Grund für dieses Feuer suchen und untersuchen, was passiert ist“, sagte sie am Mittwochmittag in der Nähe des Einsatzortes am Grenfell Tower im Zentrum der britischen Hauptstadt. Zu diesem Zeitpunkt sei es aber „falsch“, über die Ursache zu spekulieren.
Hausverwalter mit Kim Jong-un verglichen
Die Anwohnervereinigung „Grenfell Action Group“ reagierte trotzdem bereits: Sie veröffentlichte am Mittwoch einen Blogpost, in dem alle Artikel zusammengestellt sind, die in den vergangenen Jahren zu dem Thema veröffentlicht wurden: „Regelmäßige Leser unsere Blogs wissen, dass wir oft vor dem unzureichenden Brandschutz im Grenfell Tower gewarnt haben.“ Man habe die Bezirksverwaltung, der das Gebäude gehöre, und die „Kensington and Chelsea Tenant Management Organisation“ (KCTMO), die sich um die Häuser kümmere, immer wieder darauf Aufmerksam machen wollen. „Alle unsere Warnung sind auf taube Ohren gestoßen“, heißt es in dem Beitrag.
Wurde also zu wenig für den Brandschutz in dem Hochhaus getan? Oder haben Hausbewohner hier einen Zufallstreffer gelandet? Zumindest der Ton in manchen Blogposts deutet darauf hin, dass die Anwohner zu Übertreibungen neigen: Die Hausverwalter werden da schon mal mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un verglichen.
Andererseits hatten die Anwohner wohl tatsächlich berechtigten Grund zur Sorge: Bereits 2013 wurde auf dem Blog aus einem „Fire risk report“ der Feuerwehr zitiert, der den Aktivisten eigenen Angaben zufolge von einem Sicherheitsbeauftragten zugespielt wurde. Aus dem Bericht ging demnach hervor, dass Feuerlöscher in dem Hochhaus teilweise seit 2009 nicht mehr auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft worden seien, obwohl das eigentlich monatlich gemacht werden müsse.
„Fehlende Rettungswege und unzureichende Notfallbeleuchtung“
Es war nicht der einzige Mangel, von dem berichtet wurde: In zahlreichen Beiträgen schrieben die Anwohner in den vergangenen Jahren von fehlenden Rettungswegen, unzureichender Notfallbeleuchtung und zu engen Sicherheitswegen. Auch eine im Mai 2016 abgeschlossene Renovierung für zehn Millionen Pfund änderte nichts an den Bedenken der Anwohnergemeinschaft. Im Gegenteil wurde auf dem Blog im November 2016 der Post „Playing with the fire“ veröffentlicht. Der Text beginnt mit den Worten, dass offenbar erst eine Katastrophe passieren müsse, bevor die für Hochhaus verantwortliche KCTMO zur Rechenschaft gezogen werde.
Die Bewohner des Grenfell Hochauses hätten seit 20 Jahren keine ordnungsgemäßen Anweisungen mehr erhalten, wie man sich im Falle eines Feuers zu verhalten hätte. Stattdessen seien Zettel in Aufzügen aufgehängt und verteilt worden, auf denen gestanden habe, dass man sich im Falle eines Feuers in die Wohnungen zurückziehen sollte. Die Homepage von KCTMO war am Morgen kurzzeitig nicht erreichbar, am Telefon erklärte ein Mitarbeiter, nichts zu dem Thema sagen zu können. Eine Bitte um Stellungnahme zu den Vorwürfen wurde per E-Mail an KCTMO und die Bezirksverwaltung verschickt.
„Eng mit der Feuerwehr zusammengearbeitet“
Am Mittwochnachmittag zitierte der Guardian aus Unterlagen von KCTMO. Daraus geht demnach geht hervor, dass die Hausverwaltung eigenen Angaben zufolge bei einer Sanierung des Gebäudes von 2014 bis 2016 eng mit der Feuerwehr zusammengearbeitet habe. Als die Bauarbeiten abgeschlossen gewesen seien, habe man lokale Feuerwehrleute eingeladen, vor Ort seien dann die Sicherheitsvorkehrungen präsentiert worden. Auch die Anwohner habe man über notwendige Brandschutzmaßnahmen informiert. In den Papieren vom vergangenen November wurde laut Guardian aber eingeräumt, dass weitere Maßnahmen nötig seien, um den Brandschutz zu verbessern.
Die Baufirma Rydon reagierte schockiert auf den Hochhausbrand. Sie war für die Sanierung des 24-stöckigen Grenfell Towers zuständig. Alle erforderlichen Kontrollen, Bestimmungen im Brandschutz und sonstigen Sicherheitsstandards seien eingehalten worden, teilte die Firma am Mittwoch mit. Das Gebäude wurde 1974 erbaut.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan versprach umfassende Aufklärung. „Es wird im Laufe der nächsten Tage viele Fragen zur Ursache dieser Tragödie geben und ich möchte den Londonern versichern, dass wir dazu alle Antworten bekommen werden“, twitterte er am Mittwoch. Die entsetzlichen Bilder hätten ihn schwer getroffen.
Der Grenfell Tower in London
Der Grenfell Tower ist ein 24-stöckiges Hochhaus mit 120 Wohnungen und liegt in einem hochpreisigen Bezirk Londons, dem Royal Borough of Kensington and Chelsea. Das Gebäude wurde 1974 erbaut und von 2014 bis 2016 für 8,6 Millionen Pfund (knapp 10 Millionen Euro) renoviert. Dabei wurden neue Wohneinheiten geschaffen, eine neue Heizungsanlage eingebaut und die Außenwand mit einer gedämmten Vorhangfassade versehen. Die nicht von den Sanierungsarbeiten betroffenen Mieter blieben in dieser Zeit im Haus wohnen. Neben Sozialwohnungen und Büroräumen finden sich auch ein Boxclub und ein Kindergarten in dem Gebäude. Es wird im Auftrag des Bezirks verwaltet. (dpa)