Nach Erdbebenkatastrophe : Anwälte zeigen Erdogan wegen Tötung an
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Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan besucht – begleitet von Innenminister Süleyman Soylu und Devlet Bahceli, Vorsitzender der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) – am 20. Februar den Ort Antakya in der vom großen Nachbeben getroffenen Provinz Hatay. Bild: via REUTERS
Mehr als 60 Juristen haben gegen den türkischen Präsidenten und etliche weitere Amtsträger Strafanzeige erstattet. Sie werfen ihnen vorsätzliche sowie fahrlässige Tötung und Amtsmissbrauch vor.
Zahlreiche Anwälte haben wegen der Erdbebenkatastrophe Anzeige gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und etliche weitere Amtsträger eingereicht. Dem Präsidenten, Ministern, Gouverneuren und Bauunternehmen werfen sie etwa vorsätzliche sowie fahrlässige Tötung und Amtsmissbrauch vor, wie aus der Strafanzeige hervorgeht. „Als Juristen dieses Staates können wir unsere Augen nicht vor so einer Ungerechtigkeit verschließen“, sagte Anwältin Pinar Akbina Karaman am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. 61 Juristen hätten bisher unterschrieben.
Regierung weist Vorwürfe als Fehlinformationen von sich
In der Türkei wird weiterhin stark diskutiert, wie und ob das Ausmaß der Erdbebenkatastrophe hätte verhindert werden können. Die türkische Opposition wirft der Regierung etwa vor, nicht genügend in die Vorsorge und Erdbebensicherheit der Gebäude vor Ort investiert zu haben und auch jetzt in der Krisenantwort zu versagen. Die türkische Regierung weist derartige Vorwürfe unter anderem als Fehlinformationen von sich und argumentiert, eventuelle Schwierigkeiten seien dem Ausmaß der Katastrophe geschuldet.
Bei dem verheerenden Beben vor zwei Wochen sind in der Türkei laut der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afadin mittlerweile 42.310 Menschen verstorben. In Syrien sind bisher rund 5900 Tote im Zusammenhang mit den verheerenden Beben am 6. Februar gezählt worden. Nach zwei weiteren starken Beben in der südosttürkischen Provinz Hatay am Montagabend wurden aus der Türkei sechs, aus Syrien fünf Tote gemeldet. Insgesamt sind damit in beiden Ländern infolge der Erdbeben mehr als 48.000 Menschen ums Leben gekommen. Afad zufolge wurden mehr als 7000 Nachbeben aufgezeichnet.
Nach Angaben der Vereinten Nationen war das Erdbeben aber nicht nur nach Todesopfern das schlimmste in der türkischen Geschichte. Auch die Berge an Schutt und Geröll seien beispiellos, sagte Louisa Vinton, die Vertreterin des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) in der Türkei, am Dienstag in einem UN-Briefing in Genf. Die Behörden hätten inzwischen 70 Prozent der 927.000 in der Türkei in Mitleidenschaft gezogenen Gebäude inspiziert. 118.000 davon seien eingestürzt oder so beschädigt, dass sie abgerissen werden müssten. 1,5 Millionen Menschen seien obdachlos geworden. Das UNDP schätzt den Umfang von Schutt und Asche auf zwischen 116 und 210 Millionen Tonnen. Nach Angaben von Vinton fielen bei dem letzten großen Erdbeben 1999 in der Türkei 13 Millionen Tonnen Schutt und Asche an.