Kälte erschwert Rettung : Weiteres schweres Nachbeben – mehr als 3600 Tote
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Nach dem Erdbeben: Aufräumarbeiten in Gaziantep Bild: obs
Auch die Zahl der Verletzten steigt immer weiter an. Eisige Temperaturen erschweren die Bergungsarbeiten zusätzlich. Die EU hat Rettungsteams in die betroffenen Gebiete geschickt.
Nach mehreren schweren Erdbeben am Montag in der türkisch-syrischen Grenzregion ist die Zahl der Toten auf mindestens 3600 gestiegen. Rund 15.000 Menschen in der Türkei und in Syrien wurden nach bisherigen Informationen verletzt. In dem Katastrophengebiet, in dem Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien Schutz gesucht haben, herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt.
In der Türkei werden immer mehr Tote nach den verheerenden Erdbeben geborgen. Die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad gab die Zahl der Toten im eigenen Land am Montagabend mit 2316 an. Bei den Erschütterungen stürzten allein in der Südosttürkei Tausende Gebäude ein. Auf Videos aus mehreren Städten waren völlig zerstörte Straßenzüge zu sehen.
In Syrien kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums sowie der Rettungsorganisation Weißhelme von Montagabend mindestens 1300 Menschen ums Leben. In dem Bürgerkriegsland seien bei der Katastrophe mehr als 2200 Menschen verletzt worden. Angesichts vieler Verschütteter werde die Totenzahl noch steigen.
Ein neues schweres Beben der Stärke 7,5 erschütterte nach Angaben der europäischen Erdbebenwarte EMSC die Zentral-Türkei am Montagmittag. Syrische Staatsmedien meldeten derweil Erschütterungen in der syrischen Hauptstadt Damaskus nur Stunden nachdem das Hauptbeben der Stärke 7,8 am frühen Montagmorgen die Südosttürkei erschüttert hatte. Das Epizentrum lag nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Ein weiteres Beben der Stärke 6,6 sei kurz darauf in der Provinz Gaziantep gemessen worden. Die türkische Katastrophenschutzbehörde meldete am Montagvormittag 66 Nachbeben.
Stärkste Beben in Syrien seit 1995
In der syrischen Provinz Idlib kollabierte ein ganzer Häuserblock. Fotos zeigten, wie Rettungsteams Menschen auf Tragen wegbrachten. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums Raed Ahmed sagte laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995.
Die Rettungsorganisation Weißhelme sprach ihrerseits von Dutzenden Toten. „Wir reagieren mit allem, was wir können, um diejenigen zu retten, die unter den Trümmern liegen“, sagte der Leiter der Gruppe, Raed Al Saleh. „Die Lage ist sehr tragisch“, sagte ein Mitglied der Gruppe.
In Syrien erschwerten heftiger Regen und Schneeregen die Rettungsarbeiten. Die Gesundheitsbehörden forderten die Bevölkerung auf, Opfer in Notfalleinrichtungen zu bringen. Die Verletzten kämen in großer Zahl an, sagte ein Vertreter der Gesundheitsbehörden in Aleppo der Nachrichtenagentur Reuters per Telefon. Zahlreiche Menschen würden im Freien in der Winterkälte ausharren müssen, erklärte ein Vertreter der Weißhelme. Aus der Türkei gab es Berichte von verletzten Menschen, die vor den Trümmern ihrer Häuser auf die Rettung von Angehörigen hofften.
Ahmed Siradsch, ein 35 Jahre alter Bauarbeiter, der in der Kleinstadt Taftanaz in der nordwestsyrischen Provinz Idlib lebt, eilte gleich nachdem er sich den Schrecken aus den Gliedern geschüttelt hatte zu dem Haus, in dem sein Bruder mit Frau und drei Kindern lebt. Seither kämpft er an mehreren Fronten. „Ich müsse zugleich einen Unterschlupf für meine Familie finden und nach meinem Bruder suchen“, berichtet Ahmed am frühen Montagnachmittag über Whatsapp. „Wir graben immer noch in Schnee und Trümmern“, sagt er. Und auch am frühen Abend gibt es noch immer kein Lebenszeichen. „Ich versuche, nicht die Hoffnung zu verlieren“, sagt Ahmed, während er immer noch darauf wartet, dass Hilfe kommt.
Nach Angaben des Innenministers und des Chefs der nationalen Katastrophenschutzbehörde sind in der Türkei mehrere Provinzen betroffen. Mehr als 2800 Gebäude seien zerstört worden, darunter auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. In Gaziantep stürzte der Zeitung „Hürriyet“ zufolge eine historische Burg ein. Rettungsteams aus dem ganzen Land würden zusammengezogen, sagte der türkische Innenminister. Man habe zudem die Alarmstufe vier ausgerufen und damit auch um internationale Hilfe gebeten. Ihre Nato-Partner bat die Türkei unter anderem um drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldkrankenhäuser und Personal.