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Elf Jahre nach „Prestige“-Katastrophe : Auf der Anklagebank fehlen die Schuldigen

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Auf offener See zerbrach die „Prestige“ Bild: dpa

Der Untergang des Öltankers „Prestige“ hatte die größte Umweltkatastrophe in der spanischen Geschichte zur Folge. An diesem Mittwoch werden die Urteile gegen den Kapitän und andere Beschuldigte gesprochen.

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          Der Öltanker „Prestige“ ist vor der Nordwestküste Spaniens leckgeschlagen. Wasser dringt in den Rumpf des mit 77.000 Tonnen Schweröl beladenen Schiffes. Der Zwischenfall am 13. November 2002 schien anfangs nicht gravierend zu sein, aber er bildete den Auftakt zur größten Umweltkatastrophe in der Geschichte des Landes. An diesem Mittwoch, genau elf Jahre nach der Havarie, wird das Landgericht in La Coruña das Urteil im Prozess um den Untergang des Tankers verkünden.

          Der Hauptangeklagte ist der griechische Kapitän Apostolos Mangouras. Für den 78 Jahre alten Mann forderte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von zwölf Jahren wegen eines Umweltvergehens und Missachtung von Anweisungen der spanischen Behörden. Für den ebenfalls aus Griechenland stammenden Maschinisten Nikolaos Argiropoulos verlangte die Behörde neun und für den damaligen Chef der spanischen Hafenbehörde, José Luis López Sors, fünf Jahre Haft. Ein vierter Beschuldigter, der von den Philippinen stammende Erste Offizier des Tankers, ist flüchtig und konnte nicht vor Gericht gestellt werden.

          Es gilt als sicher, dass keiner der Angeklagten im Falle einer Verurteilung ins Gefängnis muss, weil sie alle über 70 Jahre alt sind. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussplädoyer sich ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass der Kapitän „nicht einen Tag“ in Haft verbringen solle. Sie bat quasi für ihr Plädoyer auf eine Haftstrafe um Entschuldigung. Eine Verurteilung des Kapitäns sei notwendig, damit Entschädigungszahlungen beansprucht werden könnten, betonte die Behörde.

          Wer kommt für den Schaden auf?

          Die Urteile für die Angeklagten sind eher zweitrangig. Mit viel größerer Spannung wird erwartet, wer nach Ansicht des Gerichts für den Schaden der Katastrophe aufkommen soll. Die Staatsanwaltschaft bezifferte die Schadenssumme auf insgesamt 4,3 Milliarden Euro. Dafür war bislang zu einem großen Teil der spanische Staat aufgekommen. Das Gericht soll entscheiden, inwieweit sich die Versicherung und die Reederei des Tankers an den Kosten beteiligen müssen.

          Die damalige spanische Regierung hatte angeordnet, das leckgeschlagene Schiff auf den Atlantik hinausschleppen zu lassen. Dort zerbrach die „Prestige“ am 19. November 2002 in zwei Teile und versank. Etwa 1600 Kilometer Küstenlinie - von Nordportugal über den Norden Spaniens bis hin zum Südwesten Frankreichs - wurde mit giftigem Ölschlamm verseucht.

          Das EU-Parlament und Umweltschützer hielten der Regierung von Ministerpräsident José María Aznar vor, das Ausmaß der Katastrophe noch verschlimmert zu haben. Es wurden aber keine spanischen Politiker und auch keine Eigentümer des Schiffes und keine Verantwortlichen der Reederei angeklagt. „Es ist offensichtlich, dass auf der Anklagebank Leute fehlen“, beklagte der Vorsitzende Richter Juan Luis Pía.

          Das Verfahren vor der spanischen Justiz zog sich über Jahre hin, weil mit den Ermittlungen ein Gericht in dem nordwestspanischen Küstenstädtchen Corcubión beauftragt wurde, das sich normalerweise mit Erbstreitigkeiten und Scheidungsfällen befasst. Mit dem Urteil wird der Fall nicht abgeschlossen sein. Es ist abzusehen, dass eine oder mehrere Prozessparteien beim obersten Gerichtshof gegen die Entscheidung des Landgerichts Berufung einlegen werden.

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