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Eingestürzte Brücke : Plötzlich weggesackt

Die Fahrbahnen stürzten an der Unglücksstelle aus rund 40 Metern Höhe in die Tiefe. Bild: Reuters

Das schwerste Brückenunglück seit Jahrzehnten dürfte die hitzige politische Debatte über den Zustand der Infrastruktur in Italien zusätzlich anheizen. Viele Straßen und Brücken sind nach Jahren der Wirtschaftskrise marode.

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          Autobahnfahrten in und um Genua sind seit jeher nur etwas für Schwindelfreie. Die Autobahn10, die von Genua nach Westen über San Remo zur französischen Grenze bei Ventimiglia führt, wird entlang der ligurischen Steilküste über hohe Brücken und lange Viadukte geführt. Von der A10, der „Autostrada dei Fiori“ („Autobahn der Blumen“), bieten sich an vielen Stellen atemberaubende Blicke auf die im Sonnenlicht blitzenden Gewächshäuser für Schnittblumen und aufs tiefblaue Meer der Riviera.

          Matthias Rüb
          Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

          Eines der bekanntesten Viadukte der A10, die nach ihrem Erbauer Riccardo Morandi benannte Schrägseilbrücke, ist am Dienstagmittag teilweise eingestürzt. Sie spannte sich mitten in Genua auf einer Gesamtlänge von knapp 1,2 Kilometern über den Fluss Polcevera, über ausgedehnte Eisenbahnanlagen sowie über den dicht besiedelten Stadtteil Sampierdarena. Zum Zeitpunkt der Katastrophe gegen 11.30 Uhr gingen wolkenbruchartige Regenfälle auf Genua nieder, und es stürmte. Ob das schwere Unwetter, ob gar ein Blitzschlag mitverantwortlich oder sogar ursächlich für den Einsturz des gut 200 Meter langen Teilstücks und eines der 90 Meter hohen Pylonen ist, blieb zunächst unklar.

          Die Fahrbahnen stürzten an der Unglücksstelle aus rund 40 Metern Höhe in die Tiefe. Am Boden wurden mehrere Häuser und Lagerhallen zerstört. Im Fluss Polcevera lagen zertrümmerte Lastwagen und Autos. Am Unglücksort bot sich ein Bild der Verwüstung, manche Beobachter sprachen von einem Szenario wie nach einem Bombenangriff. In der Morandi-Brücke klaffte eine riesige Lücke, einer der Brückenpfeiler war komplett verschwunden.

          Beim Einsturz einer vierspurigen Autobahnbrücke in der italienischen Hafenstadt Genua sind am Dienstag zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Die Retter gingen ein hohes Risiko ein. Bilderstrecke
          Bilder aus Genua : Aus einer Brücke wird ein Trümmerberg

          Wie viele Fahrzeuge mit wie vielen Insassen in die Tiefe stürzten, konnte bis Dienstagabend nicht genau ermittelt werden; es war von Dutzenden Fahrzeugen die Rede. Zum Zeitpunkt der Katastrophe herrschte starker Verkehr auf der Brücke. Dem Fahrer eines Lastwagens gelang es, sein Fahrzeug wenige Meter vor dem weggebrochenen Brückenteil zum Stehen zu bringen. An der Unglückstelle waren bis in die Nacht hinein zahlreiche Rettungswagen im Einsatz. Die Feuerwehr setzte schweres Gerät ein, um zu den unter den Trümmern begrabenen Opfern zu gelangen.

          Mindestens dreißig Todesopfer

          Am späten Nachmittag gab Innenminister Matteo Salvini die Zahl der Toten mit etwa 30 an, am Abend war von mindestens 35 die Rede. Dutzende Menschen wurden teils schwer verletzt und mit Krankenwagen und Hubschraubern in die Krankenhäuser der Stadt gebracht. Die Zahl der Todesopfer werde vermutlich noch steigen, sagte Staatssekretär Edoardo Rixi dem Fernsehsender SkyTG24. Verkehrsminister Danilo Toninelli von der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung sprach von einer „entsetzlichen Tragödie“ für die Stadt Genua und das ganze Land. Innenminister Salvini von der rechtsnationalistischen Lega dankte den Rettungskräften für ihren schnellen Einsatz.

          Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich tief betroffen angesichts des Unglücks. „Nach dem schrecklichen Brückeneinsturz sende ich den Menschen in Genua und in Italien meine Anteilnahme“, teilte Merkel nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag mit. „Zusammen mit vielen Deutschen bin ich in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen.“ Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich ebenfalls bestürzt von den „schockierenden Bildern aus Genua“.

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