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Germanwings-Katastrophe : „Vor einem Jahr war doch noch alles gut“

  • -Aktualisiert am

16 Schüler und zwei Lehrer des Joseph-König-Gymnasiums in Haltern starben beim Flugzeugunglück in den französischen Alpen. Bild: dpa

Am 24. März 2015 stürzte in den französischen Alpen die Germanwings-Maschine ab, mit an Bord eine Schulklasse aus Haltern. Wie geht es den Hinterbliebenen ein Jahr nach dem Unglück? Ein Besuch bei den Familien und Freunden der Opfer.

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          Haltern am See ist so, wie man sich das westdeutsche Durchschnittsidyll vorstellt. An der Ortseinfahrt begrüßt ein Blitzer die Einfahrenden, Einfamilienhäuser säumen die Hauptstraße, viel Klinker, eine Tankstelle mit Waschstraße, noch eine Tankstelle. Die Apotheke wirbt im Schaufenster mit „Fit in den Frühling“-Produkten. Das Seebad, der einzige Strand „zwischen Münsterland und Ruhrgebiet“, ist noch geschlossen.

          Es ist diese Stadt mit ihren 38000 Einwohnern am Nordrand des Ruhrgebietes, die noch so aussieht wie im letzten Jahr – sich aber nicht mehr so anfühlt, seit ein Flugzeug mit insgesamt 150 Menschen an Bord, darunter 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Halterner Joseph-König-Gymnasiums, in den französischen Alpen zerschellte. Die Zehntklässler waren nach einer Woche Schüleraustausch in Spanien mit 26-minütiger Verspätung in Barcelona gestartet. Eine Schülerin, Helli, hatte ihren Reisepass bei der Gastfamilie vergessen, sie musste noch mal zurück. Sie hätte den Flug 4U9525 verpasst, wenn er pünktlich gestartet wäre. So aber stieg sie mit ein. Es war ein Dienstag. Der 24. März 2015. Trocken und hell.

          Emma, halblange braune Haare, sitzt an jenem Dienstag neben ihrer Freundin Dana im Religionsunterricht und schaut auf ihre Armbanduhr. Nur noch zehn Minuten, dann ist die sechste Stunde geschafft. Sie schauen einen langweiligen Film, dessen Namen sie sich nicht merken, als der Schulleiter Ulrich Wessel per Lautsprecher eine Durchsage an die Schüler richtet. Alle sollen bitte nach Hause gehen, jetzt. „Wie cool“, denkt Emma. Sie packt ihre Sachen. Im Flur begegnet sie anderen Schülern, einer sagt, es sei etwas passiert. Der Flug der Austauschgruppe. Man wisse noch nichts Genaues. Der Flug? Emmas Schwester Rabea sitzt in diesem Flugzeug. Auch Danas Bruder Fabio ist in der Maschine, sie sollten heute zurückkommen. Im Schulflur suchen Emma und Dana nach Lehrern, fragen. Niemand weiß etwas, angeblich.

          Germanwings-Absturz : Angehörige und Repräsentanten an der Absturzstelle

          Als Emma nach Hause kommt, sitzt im Wohnzimmer fast die ganze Verwandtschaft. Ihre Mutter, Tanten, Onkel, die Großeltern. Tränen, Umarmungen, Fragen. Immer wieder versucht Emma, ihre Schwester Rabea auf dem Handy zu erreichen. Kein Freizeichen. Flugmodus, vielleicht. Sie zappen von n-tv zu N24 und wieder zurück, sie brauchen Informationen und Gewissheit und wollen sie doch gleichzeitig nicht.

          Ein Jahr nach dem Absturz : Französisches Alpendorf empfängt Germanwings-Angehörige

          Eine Maschine der Germanwings ist abgestürzt, so viel ist bekannt. Flug Barcelona – Düsseldorf. Emmas Stiefvater macht sich noch am Abend desselben Dienstags mit drei Freunden auf den Weg nach Le Vernet, zur Absturzstelle. Sie nehmen eine Jacke für Rabea mit, auch ein Kuscheltier. Vielleicht gibt es Überlebende?

          Am Nachmittag ruft die Mutter eines Mitschülers der Austauschgruppe beim Lavia Institut für Familientrauerbegleitung in Gelsenkirchen an. Leiterin Mechthild Schroeter-Rupieper geht ans Telefon. Mit ihrer Kollegin Beate Seemann fährt sie sofort zum Joseph-König-Gymnasium. Vor Ort spricht sie mit dem Einsatzleiter der Notfallseelsorge und dem Direktor der Schule, die das Lavia-Team für den nächsten Tag in die Schule einladen. Sie gründen eine Trauergruppe für die Hinterbliebenen, die erste findet bereits eine Woche später statt. „Weil, wenn man nicht darüber spricht, was helfen kann, dann wird das Schreckliche doch noch sinnloser“, sagt Schroeter-Rupieper.

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