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50.000 Erkrankungen durch verseuchte Milch : Melamin-Spuren auch in Nestlé-Produkten

  • Aktualisiert am

Bild: reuters

In China sind weit mehr Säuglinge durch mit der Chemikalie Melamin versetzte Milchprodukte erkrankt als bisher bekannt. Die Behörden registrierten 50.000 Fälle. Auch in Milch des Nestlé-Konzerns fand eine Hongkonger Behörde giftige Spuren.

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          In China haben die Behörden mehr als 50.000 Fälle von Erkrankungen durch chemisch verseuchte Milchprodukte für Säuglinge registriert. Beinahe 13.000 Babys liegen noch in Krankenhäusern, nachdem sie mit der giftigen Chemikalie Melamin versetzte Milchprodukte zu sich genommen hatten, teilte das Gesundheitsministerium in Peking laut Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntagabend mit. 104 von ihnen zeigten demnach schwere Krankheitssymptome.

          Außerdem seien 39.965 Kinder ambulant behandelt und als geheilt entlassen worden. Bislang sind den Angaben zufolge vier Babys an Nierensteinen gestorben, die sich durch das beigemischte Melamin gebildet hatten. Die Zahl der Erkrankungen ist damit drastisch höher als bisher dargestellt. Bis zum Sonntag hatten die chinesischen Behörden nur von 6200 Fällen berichtet. Wie es nun hieß, hätten 1579 der bislang landesweit 12. 892 stationär behandelten kleinen Patienten die Kliniken inzwischen wieder als geheilt verlassen können.

          Melamin-Spuren in Nestlé-Milch

          Präsident Hu Jintao war mit den regionalen Behörden am Wochenende scharf ins Gericht gegangen und hatte ihnen Versagen vorgeworfen. „Einige Funktionäre haben die öffentliche Meinung ignoriert und sich blind gestellt gegenüber der Not der Menschen und sogar gegenüber den wichtigen Belangen, die das Leben der Volksmassen betreffen“, zitierte die Zeitung „China Daily“ den Präsidenten. „Die aktuellen Unglücke haben uns eine schmerzhafte Lektion erteilt“, sagte Hu bei einem Treffen der Parteispitze.

          Die Beunruhigung in China steigt: Schlangen vor den Krankenhäusern
          Die Beunruhigung in China steigt: Schlangen vor den Krankenhäusern : Bild: AFP

          Der Milch-Skandal in China hat nun auch den weltgrößten Nahrungsmittelkonzern Nestlé erfasst. In einem Nestlé-Produkt wurden nach Angaben der Regierung in Hongkong geringe Spuren der giftigen Chemikalie Melamin entdeckt. Das Schweizer Unternehmen bestätigte das Ergebnis. Allerdings handele es sich bei der getesteten „Dairy Farm Pure Milk“ um ein für die Gastronomie bestimmtes Produkt, das nicht von Kleinkindern getrunken werden sollte, sagte ein Konzernsprecher am Sonntag in Genf. Nestlé Deutschland teilte mit, „kein Nestlé Babymilch-Produkt, das in Deutschland auf dem Markt ist, enthält Melamin“. Der Import von Milch und Molkereiprodukten aus China in die EU sei von den europäischen Behörden zudem nicht zugelassen.

          Erst 3,38 Liter pro Tag wären gefährlich

          Ein Sprecher des Zentrums für Nahrungsmittelsicherheit in Hongkong erklärte, der Anteil des Giftes in der in China hergestellten „Dairy Farm Pure Milk“ von Nestlé sei so niedrig, dass ein einjähriges Kind mit einem Gewicht von 7,5 Kilogramm drei Packungen oder 3,38 Liter pro Tag trinken müsste, um eine gefährliche Dosis zu erreichen. Der normale Konsum sei ungefährlich. Trotzdem sei es nicht ratsam, kleine Kinder mit dem Milchprodukt zu füttern. Der Handel sei von dem Testergebnis unterrichtet und gebeten worden, das Produkt in Hongkong vom Markt zu nehmen.

          Der Konzernsprecher betonte, dass das Produkt „Neslac Gold 1+“, über dessen angebliche Verseuchung Hongkonger Medien berichtet hatten, von den Behörden als unbedenklich eingestuft worden sei. Darin sei kein Melamin festgestellt worden. Der Sprecher verwies darauf, dass es in Hongkong keine Grenzwerte für die giftige Chemikalie gebe. „Spuren davon findet man aber praktisch immer, wenn auch in so geringen Mengen, dass sie nicht schädlich sind.“

          Überprüfung der gesamten Molkerei-Industrie

          Ausgelöst worden war der Skandal durch Berichte über den Hersteller Sanlu, der Trockenpulver mit Melamin vermischt hatte, um einen höheren Eiweißgehalt der minderwertigen Milch vorzutäuschen. Die giftige Chemikalie wird in der Industrie als Bindemittel verwendet. Dann wurde auch in Frischmilch der großen Erzeuger Yili, Mengniu und Bright Dairy Melamin gefunden. Die Regierung entzog den drei Unternehmen das Qualitätssiegel „erstklassige Marke“.

          Darüber hinaus verlangte die chinesische Regierung eine Überprüfung der gesamten Molkerei-Industrie. Lokale Behörden seien aufgefordert, grundlegende Änderungen im Milchmarkt und bei Molkereiprodukten herbeizuführen, heißt es in einem Papier, das der Staatsrat nach der Krisensitzung am Freitag veröffentlichte. Zugleich soll sichergestellt werden, dass die Bevölkerung mit ausreichend heimischen Produkten versorgt wird, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

          Kontrollen sollen ausgeweitet werden

          Der Staatsrat versprach, die für den Lebensmittel-Skandal verantwortlichen Hersteller, Kontrollbehörden und Funktionäre zu bestrafen. Das größte Augenmerk sei jedoch auf die Rettung erkrankter Kinder gerichtet. Die Kontrolluntersuchungen in ländlichen Gegenden sollen ausgeweitet werden. Krankenhäuser seien angewiesen, kostenlose Checks und Behandlungen anzubieten. Nach Angaben der staatlichen Medien hat ein Regierungsressort allein mehr als 100.000 Beschwerden über verunreinigte Milchprodukte bekommen.

          Die philippinische Regierung hat inzwischen die Behörden angewiesen, die Einfuhr von verdächtigen Milchlieferungen aus China zu stoppen. In Europa ist nach Angaben der französischen EU-Ratspräsidentschaft noch keine verunreinigte chinesische Milch entdeckt worden. China habe keine von der EU anerkannten Prüfverfahren für Rückstände und exportiere deshalb keine Milchprodukte in die EU, erklärte das deutsche Verbraucherschutzministerium. Nach dem Willen von Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) sollen die Bundesländer aber ihre Kontrollen verstärken, um möglichen illegalen Importen auf die Spur zu kommen.

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