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Rügen : Teil der „Wissower Klinken“ abgestürzt

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Blick von den Wissower Klinken

Blick von den Wissower Klinken Bild: picture-alliance / dpa

Die Ostsee-Insel Rügen ist um eine Touristenattraktion ärmer: An der Kreideküste sind zwei 20 Meter hohe Hauptzinnen der berühmten „Wissower Klinken“ abgestürzt. Bereits vor einigen Tagen waren durch den anhaltenden Frost Risse entstanden.

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          An der Rügener Kreideküste ist die Touristenattraktion der „Wissower Klinken“ abgestürzt. Die beiden bis zu 20 Meter hohen Hauptzinnen der Kreideformation gaben einem gewaltigen Druck hinter ihnen liegender eiszeitlicher Schichten nach und stürzten in der Nacht zum Donnerstag in die Tiefe, wie der Mitarbeiter des Nationalparkamts Jasmund, Manfred Kutscher, erklärte.

          Die Kreideformation wurde fälschlicherweise jahrelang als Motiv für ein berühmtes Gemälde von Caspar David Friedrich (1774-1840) gewertet. Bei dem Abbruch wurden ersten Schätzungen zufolge rund 50 000 Kubikmeter Kreide in die Ostsee gerissen. Wo einst die Zinnen markant Richtung Himmel strebten, sind jetzt nur noch zwei verkümmerte Stümpfe zu sehen. Die abgebrochenen Reste wird das Wasser in wenigen Tagen weggespült haben. Vor wenigen Tagen waren an der Stelle schon ein Mal 1000 Kubikmeter Kreide in die Tiefe gestürzt.

          Senkrechte Risse, extreme Kräfte

          Kutscher hatte den „Wissower Klinken“ deshalb am Mittwoch eine maximale Lebensdauer von zehn Jahren vorausgesagt. Senkrechte Risse, die auf extreme Kräfte im Inneren schließen ließen, bereiteten dem Kenner der Kreideküste seit zwei Jahren große Sorgen. „Erst hat der Putz gebröckelt, jetzt ist die Wand eingestürzt“, resümierte er.

          Ein Mitarbeiter des Nationalparks Rügen besichtigt den Schaden durch den Kreidestein-Absturz
          Ein Mitarbeiter des Nationalparks Rügen besichtigt den Schaden durch den Kreidestein-Absturz : Bild: AP

          Auf der Insel herrschte am Donnerstag Fassungslosigkeit. In fast jeder Tourismusbroschüre wird mit den Klinken für die Schönheiten der größten deutschen Insel geworben. Allein die bizarre, rund 13 Kilometer lange Kreide-Steilküste wird jährlich von bis zu 1,5 Millionen Touristen besucht.

          „Der Absturz ist katastrophal“

          „Der Absturz ist katastrophal“, zeigte sich WWF-Projektleiterin Cathrin Münster erschüttert. „Das Ereignis zeigt uns, wie stark die Natur ist und wie überraschend sie reagieren kann.“ Die Kreide entstand vor 69 Millionen Jahren aus den Kalkschalen mikroskopisch kleiner Wasseralgen. Mit der letzten Eiszeit, die vor rund 12 000 Jahren endete, wurde die Kreideformation auf Rügen aus der Erdtiefe gehoben und gefaltet. Seitdem sind die Kreidefelsen der Erosion ausgesetzt. „Die Kreideküste ist eben ständigen Veränderungen unterlegen“, resümierte Nationalpark-Wächter Kutscher nach der Besichtigung der Abbruchstelle nüchtern.

          Vor allem in den Wintermonaten und im Frühjahr kommt es immer wieder zu Abbrüchen. Dann gefriert das Schnee- und Regenwasser, und die Eiskristalle drücken auf die Kreide, wie Kutscher erläutert. Bei Tauwetter stürzt die gefrostete Kreide dann in die Tiefe. Der Kreide- Experte befürchtet für dieses Frühjahr noch weitere Abbrüche. „Es ist noch viel Wasser in der Wand.“

          Kein Caspar-David-Friedrich-Motiv

          Anders als manche Touristen glauben, sind die „Wissower Klinken“ Kutscher zufolge aber nicht das Motiv für das berühmte Caspar-David- Friedrich-Gemälde „Kreidefelsen auf Rügen“. „Als Friedrich Anfang des 19. Jahrhunderts die Kreideküste besuchte und nach Motiven suchte, gab es die typische Zinnenformation noch gar nicht.“ Die bizarren Zacken seien erst in den letzten einhundert Jahren durch die Erosion geformt worden. Das tatsächliche Friedrich-Motiv dagegen existiere noch: wenige Kilometer nördlich von der Abbruchstelle, an der „Victoria-Sicht“.

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