Vogel des Jahres : Der gefallene Star
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Ein Starenmännchen ist neben seinem Nistkasten gelandet um seine lauthals bettelnden Jungen im Nest wenigstens für kurze Zeit mit Insekten und Würmern ruhigzustellen. Bild: Carl-Albrecht von Treuenfels
Die Zahl der Star-Brutpaare hat in den letzten zwanzig Jahren abgenommen. Als „Vogel des Jahres“ soll er nun besser geschützt werden.
An diesem Freitag geben der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) bekannt, dass sie den Star (Sturnus vulgaris) zum „Vogel des Jahres 2018“ gewählt haben. Darüber freuen sich die Mitarbeiter der Naturschutzstation Dümmer in der Nähe von Hude (Niedersachsen) und der pensionierte Lehrer Bernd Averbeck besonders. Seit Jahren kümmern sie sich um die dunklen Singvögel mit dem metallisch schillernden Gefieder.
Am Rand des rund 1000 Hektar großen Naturschutzgebiets Ochsenmoor, 50 Kilometer nördlich von Osnabrück im Landkreis Diepholz gelegen, haben sie die Voraussetzungen für eine Brutkolonie der sangesfreudigen Vögel geschaffen. Gut 60 Nistkästen hängen an den Außenwänden der Stationsgebäude und an den Bäumen. Bernd Averbeck zimmerte 50 Starenkästen und brachte sie auf seinem benachbarten Grundstück an Bäumen und Wänden an. Teilweise hängen sie in drei Etagen übereinander, manche haben zwei Ein- und Ausfluglöcher.
„Mindestens 40 Kästen waren in diesem Jahr belegt. In 10 bis 15 Nisthilfen brüteten die Stare zweimal erfolgreich nacheinander“, sagt Averbeck über seine Kolonie, an der er sich auch Mitte Oktober noch erfreuen kann. Denn im Gegensatz zu den Abertausenden von Staren, die jetzt in dichten Schwärmen über das Land ziehen und abends in dunklen Wolken an gemeinsamen Schlafplätzen im Schilf oder auf Bäumen einfallen, halten viele der heimischen Stare im Bereich des Naturschutzgebiets Dümmer ihren Brutplätzen auch nachts die Treue.
Abends oder auch zwischendurch am Mittag landen sie auf den Ästen ihrer Brutbäume oder auf den Dächern der Häuser. Manche übernachten auch in den Kästen. Dabei zwitschern und schwatzen sie zeitweilig fast so intensiv wie zur Balzzeit im Frühling. Beim Zuhören langweilt man sich nie, da sie über ein reichhaltiges Repertoire an vielfältigen Lautfolgen und nachgeahmten Tönen verfügen.
Vogeljäger schlagen zu
Die Vögel erscheinen in unterschiedlichem Gefieder: Die Jungen sind graubraun, die erwachsenen Vögel tragen als Perlstare noch ihre weißen Federspitzen, die sich weiter abnutzen, und mehr oder weniger glänzenden Schillereffekt. Zur Balzzeit erstrahlt das Gefieder in vollem Glanz. Die meisten Stare werden nicht älter als zwei bis drei Jahre, aber es gibt auch Berichte über beringte Vögel, die es im Freiland auf 20 Jahre brachten.
Früher gab es viele Jungstare, die das Ausfliegen aus den Brutkästen gar nicht erlebten. Denn etliche Nistkästen wurden nicht von Vogelfreunden aufgehängt, sondern von Vogeljägern. Kurz vor dem Ausfliegen der Jungen öffneten sie die Nistkästen, nahmen die Vögel heraus und töteten, rupften, brieten oder verkauften sie. Heute sind die Stare nach deutschem und EU-Recht geschützt, aber in Südeuropa verfangen sie sich noch oft in illegal aufgehängten Singvogelnetzen und auf Leimruten.
Vogelbeobachter begeistert
Am Dümmer, einem 13 Quadratkilometer großen Flachsee mit einer durchschnittlichen Wassertiefe von einem Meter, landen vom Spätsommer bis in den Herbst in zunehmender Zahl Stare, die sich zu Zugverbänden zusammengeschlossen haben. Sie kommen großteils aus Skandinavien, dem Baltikum und Westrussland. Die Schwärme, die teils mehr als 100000 Vögel ausmachen, machen mitunter längere Zwischenstopps in nahrungsreichen Gebieten mit geeigneten Übernachtungsmöglichkeiten.
Einige dieser Orte sind jeden Herbst zu Pilgerstätten von Vogelbeobachtern geworden. So etwa stehen an der deutsch-dänischen Grenze bei Aventoft an Wochenenden im Herbst Dutzende von Bussen und Hunderte Autos von Vogelfreunden. Die Schilfflächen in den Kögen nahe der Nordseeküste bieten ausreichend Sitzplätze und Schutz vor Greifvögeln, Füchsen und anderen Beutegreifern für die Stare. Solche Schlafstätten sehen nach längerem Gebrauch aus wie von einem Tornado heimgesucht. Die Wasserflächen werden durch den nachts ausgeschiedenen Kot reichlich gedüngt, wenn nicht belastet.