Nilgänse : Minder anziehend ist ihr Wesen
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Die Sache ist auch deshalb besonders schmerzlich, weil man der Nilgans ihr Hiersein nicht zur Last legen kann. Denn man hat sie gegen ihren Willen geholt. Nicht nach Frankfurt zwar, aber nach Europa, schon im 18. Jahrhundert. Sie wurde am Nil eingefangen und dann als Ziervogel in Parks und Zoos gehalten. Zwar entkamen immer wieder Nilgänse in die freie Natur, aber erst vor etwa vierzig Jahren siedelte sich eine größere Zahl in Deutschland an; die Tiere seien aus den Niederlanden gekommen, heißt es heute. Sie fanden in Deutschland vielerorts die Landschaft vor, die sie besonders schätzen: Wiesen mit kurzhalmigem Grün in der Nähe von Gewässern. Dort ließen sie sich nieder. Brut wurde aufgezogen und brütete ihrerseits. Dabei machten die Tiere vor allem in Städten mit einem Verhalten auf sich aufmerksam, das ihre Kritiker als ungehörig aggressiv empfinden.
Einer dieser Kritiker ist der Umweltfachmann der Frankfurter FDP. Er hat, wie auch Brehm, zahlreiche Nilgänse, die sich unbeobachtet wähnten, in freier Wildbahn studieren können, wohnt er doch nahe einer Schwemmwiese am Main. Seine Beobachtung: „Wenn die Nilgänse kommen, sprüht alles weg – die Enten machen sich ganz schnell von dannen, selbst die Schwäne haben Angst.“ Der FDP-Mann ist aber nicht nur Kritiker der Nilgänse, sondern auch Kritiker des Umgangs der Stadt mit ihnen. Ihn stört, dass der Abschuss einzelner Tiere ausgeschlossen sein soll. Gerade der habe sich doch offenbar bewährt.
Die Sache mit dem Zaun ist gar nicht dumm
Tatsächlich lehnt die Umweltdezernentin, eine Grüne mit Biologie-Diplom und WWF-Vergangenheit, es ab, Nilgänse im Ostpark abzuschießen. Sterben sollen sie nicht. Aber doch fernbleiben von der Liegewiese. Die grüne Grenze muss gesichert werden. Also wurde zwischen Weiher und Wiese ein Zaun gezogen. Drei Wochen ist das jetzt her. Der Zaun ist allerdings nur einen Meter hoch. Die Gänse fliegen darüber hinweg. Das ist häufig zu beobachten. Regelmäßige Besucher des Ostparks haben auch schon mitansehen müssen, wie Nilgänse unter dem Zaun durchkrochen. Er ist nämlich auch unten durchlässig. Aus Sicht der Gänse also eine offene Grenze. Aus Sicht der Menschen, die auf der Wiese liegen, nicht. Der Zaun, mit schwarzer Folie blickdicht umwickelt, versperrt ihnen die Sicht auf den Weiher. Auch Frankfurter werden nun ungehörig aggressiv. Schon dreimal haben Vandalen den Zaun umgekippt. Das wiederum bezeichnet der FDP-Mann, bewusst oder unbewusst mit den Worten der Bundeskanzlerin, als „nicht hilfreich“. Er selbst, obzwar Zaunskeptiker, sehe hier die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten. Im Übrigen gebe er zu, dass die Sache nicht trivial sei.
Denn erstens kann man im Park nicht so einfach schießen. Das ist viel riskanter als im Schwimmbad. Im Park laufen Tag und Nacht Menschen durch, und wer weiß, ob nicht ein Obdachloser im Gebüsch am Weiher schläft? Zweitens ist noch gar nicht ausgemacht, ob Schießen dauerhaft hilft. Zwar sind sechs tote Nilgänse sechs tote Nilgänse. Aber womöglich ist es den Artgenossen, die deren Ende mitansehen mussten, über den Winter gelungen, das Trauma zu überwinden; sie sollen ja hart im Nehmen sein. Selbst der Jäger räumt ein, dass die Nilgänse zurückkommen könnten. Und drittens ist die Sache mit dem Zaun gar nicht dumm.