Tierschützer im Interview : „Eine artgerechte Eisbärenhaltung im Zoo ist nicht möglich“
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Eisbär Fritz am Montag beim Ultraschall im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Bild: dpa
James Brückner leitet die Artenschutzabteilung des Deutschen Tierschutzbundes. Nach dem Tod von Eisbärbaby Fritz in Berlin fordert er, die Nachzucht von Eisbären in Zoos zu stoppen.
Herr Brückner, der Deutsche Tierschutzbund hat am Dienstag darauf hingewiesen, dass in den vergangenen zehn Jahren in deutschen Zoos nur jedes dritte Jungtier überlebt habe. Sind die Quoten in freier Wildbahn besser?
In der Regel werden viele Tiere im Zoo älter. Es fallen ganz viele Risikofaktoren weg, Nahrungsmangel, Wetter, außerdem werden sie medizinisch versorgt. Es gibt auch Eisbären, die in Zoos weit über 30 Jahre alt werden.
Was alarmiert Sie dann?
Wir kritisieren vor allem die Nachzucht. Seit 2005 sind in Deutschen Zoos 32 junge Eisbären geboren worden, 14 haben überlebt, davon sind drei später in jungem Alter gestorben, zum Beispiel Knut und jetzt eben Fritz. In freier Wildbahn können die Zahlen nur geschätzt werden, aber es kommen etwa ein Drittel der Muttertiere ohne Nachwuchs zurück, nachdem sie sich schwanger zurückgezogen haben. Es sterben also mindestens genauso viele Jungtiere im Zoo wie in freier Wildbahn, obwohl die ganzen Risikofaktoren wegfallen. Das ist ein Indiz dafür, dass etwas bei der Haltung im Zoo nicht stimmt.
Und wieso sterben so viele Jungtiere auch im Zoo?
Da kann man nur spekulieren. Fakt ist, dass werdende Eisbärenmütter sehr empfindlich bei Störungen sind, deswegen werden sie in Zoos in Innenboxen untergebracht, in die kein Pfleger kommt. Aber man kann die Tiere in einem Zoo nur bedingt von äußeren Einflüssen abschirmen. Manche Tiere fressen ihren Nachwuchs auf, weil sie glauben, dass die Bedingungen zum Aufziehen der Kinder nicht gut genug sind.
Aber Fritz ist doch offenbar an Leberproblemen gestorben. Das kann doch auch in freier Wildbahn passieren.
Ja, aber es ist ja noch völlig unklar, was die Ursache für die Leberprobleme war. Bei Knut hat man damals vermutet, dass ein Virus von anderen Tieren übergesprungen ist. Es gibt insgesamt viele Hinweise darauf, dass es Eisbären im Zoo nicht gut geht.
Und zwar?
Erwachsene Eisbären zeigen im Zoo sehr oft Verhaltensstörungen, sie laufen oder schwimmen im Kreis oder wackeln die ganze Zeit mit dem Kopf. Damit kompensieren sie, dass ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden.
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Welche denn?
Sie haben eigentlich riesige Streifgebiete, die sind im Durchschnitt 150.000 Quadratkilometer groß. Es wird versucht, den Tieren im Zoo einen Ersatz zu bieten mit abwechslungsreichen Gehegen, dem Verstecken von Nahrungsmitteln oder ähnlichem. Aber wie wollen Sie ein Hunderttausende Quadratkilometer großes Streifgebiet ersetzen? Ein Zoo kann dafür niemals einen Ersatz bieten, so sehr er sich auch anstrengt. Das heißt, eine artgerechte Eisbärenhaltung ist nicht möglich. Die Zoos sollten das Geld lieber für den Schutz der Tiere in freier Wildbahn ausgeben.
Können Tiere im Zoo Menschen nicht dafür sensibilisieren, sich für den Tierschutz einzusetzen?
An diese Botschafterfunktion glaube ich nicht. Welcher Zoobesucher geht schon nach Hause, und setzt sich dann für Eisbären in freier Wildbahn ein?
Sind Sie generell gegen Zoos?
Nein, wenn Tiere artgerecht gehalten werden können, haben wir da nichts dagegen. Bei manchen Arten geht das aber einfach nicht.
Ist der Hype, der um Eisbärbabys in den Medien regelmäßig veranstaltet wird, Teil des Problems?
Jeder Zoo geht anders damit um. Zeitungen und Fernsehsender springen stark auf die Tiere mit den kleinen Knopfaugen an. Es sterben täglich Jungtiere in deutschen Zoos, die wenigsten schaffen es ins Fernsehen. Bei Knut wurde das von dem Zoo damals sehr ausgenutzt, es gab Fanartikel, aus den Schlagzeilen sollte Geld gemacht werden. Das Publikum findet Jungtiere immer besonders süß, deswegen wird bei einigen Tierarten dafür gesorgt, dass es jedes Frühjahr neue gibt. Das geht bei Eisbären nicht. Aber die kleinen Ziegen aus dem Streichelzoo werden zum Beispiel einfach verfüttert, wenn sie zu alt sind. Das kriegt der Besucher nur nicht mehr mit. Es ist also durchaus wichtig, die Tierhaltung in Zoos kritisch zu hinterfragen.