Umstrittene Schlachtung : Die Ohnmacht vor dem Tod
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Blick ins Leere: Die Schweineschlachtung ist in Deutschland Massenproduktion Bild: Christoph Goedan/laif
Knapp 60 Millionen Schweine werden jährlich in Deutschland geschlachtet: betäubt, getötet und dann zu Kotelett, Schnitzel, Haxe zerlegt. Vor allem eine Methode ist dabei heftig umstritten. Ein Ortsbesuch.
Wenn die Gondeln Schweine tragen, schippern sie nicht beschaulich, begleitet vom Lied eines Gondoliere, über den Canal Grande, nein sie fahren direkt in die Hölle, die Hölle für Borstenvieh. So jedenfalls sehen es die Aktivisten von der Tierrechtsorganisation Peta. Unstrittig ist: 59,3 Millionen Schweine werden jedes Jahr bei uns geschlachtet, die meisten davon mit Hilfe eines Verfahrens, bei dem die Tiere zunächst mit CO2 betäubt werden. An rund 300 Tagen im Jahr – sonntags stehen die Förderbänder still – schicken Schlachtbetriebe, die diese Methode verwenden, insgesamt etwa 40 Millionen Schweine in Metallkäfigen, sogenannten Gondeln, in den Kohlendioxid-Schacht. Auch Leute, die weiter mit gutem Gewissen Fleisch essen, müssen mit dem Wissen leben, dass die Tiere so massenhaft-industriell zu Tode gebracht werden.
Peta will diesem Verfahren jetzt grundsätzlich einen Riegel vorschieben und hat bei 18 Staatsanwaltschaften Strafanzeigen gegen insgesamt 25 Schlachthof-Betriebe gestellt: „Es sind alles CO2-Betäuber, die den Tieren unnötiges Leid zufügen“, so Sophie Nouvertné, Justiziarin bei Peta Deutschland. „Sie alle verstoßen unserer Ansicht nach gegen den Paragraphen 17 des Tierschutzgesetzes.“
„Tönnies-Gruppe schlachtet jedes vierte Schwein“
Nun kann man die Ziele von Peta, die nicht nur, wie der englische Vereinsname schon sagt, für die „ethische Behandlung von Tieren“ streitet, sondern für den kompletten Verzicht auf den Verzehr von Fleisch und den Veganismus, für radikal halten; man muss auch einige ihrer Methoden nicht mögen. Einen gewissen Rückenwind für ihre Strafanzeige aber finden die Tierschützer im Tierschutzbericht der Bundesregierung von Ende 2015. Darin heißt es über die CO2-Methode: „Der Hauptvorteil liegt in einer effizienten Gruppenbetäubung mit wenig Personaleinsatz. Die CO2-Betäubung steht in der Kritik, weil die Betäubung nicht sofort eintritt und die Tiere bei der Einleitung Atemnot-Symptome und ein starkes Abwehrverhalten zeigen.“ Der Bericht hält auch fest: „Derzeit sind allerdings noch keine praxistauglichen Alternativen verfügbar.“ Tatsächlich?
Auf der Peta-Liste stehen alle maßgeblichen industriellen Schlachtbetriebe in Deutschland, welche die Aktivisten für CO2-Benutzer halten. Sie wollen offenbar alles vor den Kadi ziehen, was in Fleischerkreisen Rang und Namen hat. Auch Clemens Tönnies ist mit seinem Unternehmen dabei; im Ranking der deutschen Schlachthöfe steht die Tönnies-Gruppe an Platz eins. „Tönnies schlachtet jedes vierte Schwein“, heißt es bei der Interessengemeinschaft Schwein (ISN). Das Töten läuft bei dem Schlachterkönig ab wie bei allen anderen dieser Kategorie, nur ausgeklügelter, was den Tierschutz angeht, und wesentlich umfangreicher.
Mitten im „Schweinegürtel“ schlägt das Herz des Tönnies-Imperiums
Ortstermin in Rheda-Wiedenbrück, einem Kreisstädtchen mit Fachwerkcharakter in Nordrhein-Westfalen; es ist der Heimatort von Clemens Tönnies und Hauptsitz seines Schlacht-Imperiums – ein Vorzeigebetrieb, mit einer Produktionsfläche von 165.000 Quadratmetern „das größte Fleischwerk weltweit“, wie der Unternehmer bei der Jahrespressekonferenz seines Unternehmens inklusive Werksführung Anfang der vergangenen Woche stolz sagte. Es liegt mitten im deutschen „Schweinegürtel“; hier leben mehr Schweine als Menschen. So verwundert es nicht weiter, dass der Schlachthof gut ausgelastet ist. Die meist etwa sechs Monate alten zukünftigen Schinkenspender kommen zu 85 Prozent aus Deutschland, die übrigen 15 Prozent aus der Rest-EU hierher.