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Streit um das Donaulied : „Verharmlosung einer Vergewaltigung“

  • Aktualisiert am

Sprache formt Denken: Im Bierzelt soll künftig nicht mehr von der Vergewaltigung eines Mädchens gesungen werden. Bild: dpa

Im Volksfestzelt ein Lied grölen, das von der Vergewaltigung eines Mädchens handelt? Dafür hat eine Passauer Studentin kein Verständnis und startet eine Petition gegen das Donaulied.

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          Eine junge Frau liegt schlafend an der Donau, ein Mann kommt vorbei, vergewaltigt und verspottet die Frau - der Inhalt des Donauliedes beschreibt unverhohlen sexuelle Gewalt. „Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholalala, Sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr, Ohohoholalala“ oder „Mein Mädchen, mein Mädchen, was regst du dich auf, Ohohoholalala, Für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholalala“, heißt es in dem Lied, von dem auch Ballermann-Sänger Mickie Krause eine - abgemilderte - Version aufgenommen hat. Eine Passauer Studentin will per Online-Petition erreichen, dass das vor allem in Festzelten beliebte Lied nicht mehr gesungen wird. Viele Leute machten sich um den Text wohl gar keine Gedanken, sagt Studentin Corinna Schütz. Das Feedback auf ihre Petition sei zum allergrößten Teil positiv.

          Die 22-Jährige hat zudem die „Aktion gegen Bierzelt-Sexismus“ gestartet. Auf der Petitionsseite heißt es: „Sprache formt das Denken. In diesem alten Volkslied vermittelt der umgeschriebene Text ein Weltbild, welches sexuelle Gewaltfantasien gegen Frauen normalisiert und verherrlicht. Deswegen stellt das Donaulied eine Form sexueller Gewalt dar.“ Es soll in Bierzelten nicht mehr gesungen werden.

          Sie wollen kein Verbot des Donauliedes erwirken, stellt die Studentin klar. Vielmehr sollten sich die Leute mit dem Text auseinandersetzen und freiwillig auf das Singen verzichten. Es werde Vergewaltigung verharmlost. Ihre Mitstudenten kämen aus aller Welt. „Wir müssen uns dann rechtfertigen, warum wir so etwas noch singen.“ Mehr als 17.000 Unterstützer beteiligten sich bis Sonntag bereits an der Petition.

          Beleidigungen im Internet

          Im Internet werden die Initiatoren aber auch beleidigt. „Anscheinend is des Corona schon bei manchen ins Hirn, falls die eins haben, vorgedrungen und hat Schäden hinterlassen“, heißt es da. Oder: „Der wünsch I, dass (sie) später Kaugummi verkaufen muass an der Tankstelle. Vielleicht soi de aber erstmoi mit ihren intellektuellen Freunden a Demo gegen die niederbayerische Kultur organisieren.“

          Den Grünen-Landtagsabgeordneten Toni Schuberl ärgert besonders ein Kommentar des stellvertretenden Passauer Landrates Hans Koller (CSU) zu dem Lied. Dieser hatte auf Facebook eine spöttische Aussage gegen die Aktion als „sehr gut“ bewertet. In einem offenen Brief fragte Schuberl den CSU-Politiker: „Darf ich das so werten, dass Du die Verherrlichung und das Besingen einer Vergewaltigung gutheißt?“

          Der Deutschen Presse-Agentur sagte Koller: „Mir gefällt das Lied auch nicht.“ Es sei ein „uraltes, primitives Sauflied“, jedoch gebe es in Corona-Zeiten wichtigere Themen als das Donaulied. Das habe er mit seinem Kommentar zum Ausdruck bringen wollen.

          Studentin Schütz sagt, schon vor gut zwei Jahren habe sie überlegt, etwas gegen das Lied zu unternehmen. Als kürzlich die TV-Moderatoren „Joko und Klaas“ mit ihrem Beitrag „Männerwelten“ sexuelle Belästigung von Frauen anprangerten, sei ihr die Idee mit der Petition gekommen. Sie seien keine Traditionsfeinde und gingen gerne zur Dult, so Schütz. „Aber dann stehen wir auf der Bierbank und müssen uns das anhören.“

          Möglicherweise im Ersten Weltkrieg entstanden

          Die Ursprungsfassung des Liedes stammt aus dem 19. Jahrhundert, wie Michael Fischer, Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Universität Freiburg sagt. Es sei später vielfach parodiert worden, zumeist mit erotisch-sexuellen Inhalten. Die heute noch bekannte Fassung ist möglicherweise im Ersten Weltkrieg entstanden. „Wenn dies stimmt, müsste man die derbe Lesart mit der Situation junger Männer im Krieg zusammenbringen.“

          „Lieder dieser Machart leben von der Grenzüberschreitung“, meint der Experte. Jedoch: Der Text des Donauliedes sei aus heutiger Sicht „unerträglich, nicht nur aus der Perspektive von Frauen, sondern auch aus der Perspektive der Männer, die als Vergewaltiger dargestellt werden“. Das Singen solcher Lieder hat seiner Ansicht nach nichts mit Humor, Harmlosigkeit oder Traditionspflege zu tun.

          Die Anstößigkeit bestehe in der wenig verschleierten Vergewaltigung der Schlafenden. Dass es in der Gegenwart bei Party- oder Festkontexten immer wieder zu solchen Straftaten komme, sollte nicht ausgeblendet werden. „Deshalb sollte man auf dieses Lied besser verzichten.“

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