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Streit über muslimischen Schützenkönig : Die Westfälische Schützen-Parabel

Da wurde er noch gefeiert: Mithat Gedik schoss Mitte Juli beim Schützenfest in Werl den Vogel ab. Bild: dpa

Im katholischen Schützenverein von Werl ist ein Muslim Schützenkönig geworden. Der Dachverband interveniert dagegen – und löst eine erregte Debatte aus.

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          Es liegt auf der Hand, Mithat Gedik für ein Musterbeispiel gelungener Integration zu halten. Der 33 Jahre alte türkischstämmige Muslim ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, katholische Religionslehre war eines seiner Abiturfächer. Gedik lebt mit seiner Frau Melanie und vier Kindern im westfälischen Werl, gehört der freiwilligen Feuerwehr an und sitzt im Vorstand der katholischen St.-Georgs-Schützenbruderschaft. Den integrationspraktischen Gipfel schien Gedik erklommen zu haben, als er am 18. Juli im wörtlichen Sinn den Vogel abschoss und Schützenkönig wurde. Aber damit begannen in Wirklichkeit die Probleme.

          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

          Der katholische Schützendachverband, der Bund Historischer Schützenbruderschaften (BHDS), lehnt Gedik als Schützenkönig ab – weil er Muslim ist. Die katholische Nachrichtenagentur KNA zitiert Vorstandssprecher Rolf Nieborg mit den Worten: „Wir sind ein katholischer Verband, der laut Statut im Sinne der Ökumene auch andere Christen aufnimmt, aber eben keine Muslime, ansonsten verlieren wir unseren Status als katholischer Verband nach kanonischem Recht.“ Nieborg wirft der Leitung der Schützenbruderschaft in Werl-Sönnern vor, ihre eigene Vereinssatzung nicht gelesen zu haben. In Paragraf zwei heiße es, dass die Bruderschaft eine „Vereinigung von christlichen Menschen“ ist. Die Werler Schützen, denen der Ausschluss aus dem Dachverband droht, hätten mittlerweile ihren Fehler eingeräumt und wollten ihn korrigieren. Zu welchem „Kompromiss“ man sich durchringe, sei aber noch nicht absehbar. Tatsächlich scheint es nach den Regeln des BHDS folgende Möglichkeiten zu geben: Die St. Georgs-Schützen können Gedik um Abdankung bitten und ihn zum „Bürgerkönig“ machen. Denkbar ist auch der Übertritt des Königs zum Christentum – ein Vorschlag, der Gedik besonders empört. Schließlich könnten die Werler Schützen ihren Schützenkönig behalten, sich aus dem BHDS werfen lassen und in den Sauerländer Schützenbund (SSB) wechseln, dessen Regelwerk auch nicht-christliche Könige zulässt.

          Gedik: Deutschland ist noch nicht so weit

          Gedik ist enttäuscht. Für ihn sei durch die Sache deutlich geworden, dass Integration in Deutschland nur oberflächlich funktioniere. „Da ist Deutschland doch noch nicht so weit“, sagte er dem „Westfälischen Anzeiger“. Doch Gediks Pessimismus scheint voreilig zu sein. Am Montag stärkten ihm die Werler Katholiken den Rücken. „Wir haben kein Problem mit dem König. Wir haben ihn herzlich willkommen geheißen“, sagte der Werler Probst Michael Feldmann der Nachrichtenagentur dpa. Mit einem gläubigen Menschen gleich welcher Konfession habe er kein Problem. „Bei einem Schützenkönig, der aus der Kirche ausgetreten ist und sich damit bewusst gegen die Kirche entschieden hat, würde ich das anders sehen.“

          Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) sprach von einem „Stück aus dem Tollhaus“, das von „Provinzialität“ zeuge. Er hoffe sehr, dass dies Peinlichkeit zügig aus der Welt geschaffen werde. In Nordrhein-Westfalen gebe es viele Muslime, die Schützenkönige oder Karnevalsprinzen seien. „Und im Ruhrgebiet gibt es keinen einzigen christlichen Kindergarten, in dem nicht auch muslimische Kinder integriert sind.“ Dagmar Hanses, die rechtspolitische Sprecherin der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, warf dem katholischen Schützen-Dachverband vor, mit seiner Intervention den Vogel abgeschossen zu haben. Tradition dürfe nicht als Totschlag-Argument missbraucht werden, um Mitmenschen auszugrenzen. „Es gibt für die Schützen in Sönnern keinen Grund, sich beim Dachverband zu entschuldigen. Jeder Verein sollte das Recht haben, selbst zu entscheiden, wen er aufnimmt. Es wäre aller Ehren wert, wenn die Schützen in Sönnern nach diesem Vorfall zusammenstehen und ihre Satzung ändern“, sagte Hanses.

          Der BHDS hatte schon 2011 eine erhitzte Debatte hervorgerufen. Anlass war damals, dass der Münsteraner Schützenkönig Dirk Winter seinen langjährigen Lebenspartner mit auf den Königsthron genommen hatte. Der BHDS hatte damals festgelegt, dass auch ein homosexueller Schützenkönig sich der Tradition zu beugen habe, eine Frau zur Königin zu machen.

          Wie KNA berichtet, hat BHDS-Sprecher Nieborg auch im Fall Werl wieder einige unfreundliche E-Mail bekommen. Er sei schon als Nazi und Ewiggestriger beschimpft worden. Die rechtsextreme Szene wiederum habe sich mit Lob gemeldet.

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