„Stefan Raab live“ : Es gibt ihn wirklich noch!
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Moderator Stefan Raab ist zurück – hier ein Bild aus dem September 2017. Bild: dpa
Stefan Raab ist zurück – allerdings nur auf der Bühne. Was macht er da? Und können seine Fans auf ein Comeback im Fernsehen hoffen? Zu Besuch bei „Stefan Raab Live“ in Köln.
Ann-Kathrin und Steffi haben keine Ahnung, wofür genau sie 90 Euro ausgegeben haben. Sie sind aus Hessen nach Köln gereist, dort stehen sie am frühen Donnerstagabend vor der Lanxess-Arena und warten zusammen mit mehr als 14.000 Besuchern auf den Beginn von „Stefan Raab Live“. „Musik, Spitzenwitze und spektakuläre Gäste“ wurden ihnen versprochen – viel mehr Informationen über den Verlauf des Abends gab es vorab nicht. Warum so eine karge Ankündigung so viele Leute davon überzeugt, viel Geld auszugeben und Hunderte Kilometer anzureisen? „Wir wollen halt den Stefan mal wiedersehen“, sagt Ann-Kathrin. Die zwei Hessinnen sind – so wie viele Gäste an diesem Abend – um die 30 Jahre alt und waren früher schon bei „TV Total“ im Studio. Es ist die Generation, die mit Stefan Raab aufgewachsen ist. Und dann auf einmal von ihm alleine gelassen wurde.
Nachdem Raab 1999 bei Pro Sieben mit „TV Total“ auf Sendung ging, versammelten sich bald jeden Montagabend über drei Millionen Zuschauer vor den Fernsehern. Zum Vergleich: Am 6. Oktober dieses Jahres schauten gerade mal 670.000 Zuschauer zu, als Joko Winterscheidt seine Show „Beginner gegen Gewinner“ präsentierte – an einem Samstagabend. Und wenn Klaas Heufer-Umlauf am Montagabend bei seiner „Late Night Berlin“ wie zuletzt mal 500.000 Zuschauer erreicht, wird das schon als Riesenerfolg gefeiert. Pro Sieben musste vor drei Jahren auf Joko & Klaas setzen, weil Raab einfach aufhörte. Und zwar nicht wie Thomas Gottschalk und Harald Schmidt nur auf der großen Bühne. Sondern überall. Raab wurde schon 1994 in einem Artikel mit den Worten zitiert: „Ich möchte möglichst zwischen 30 und 40 finanzielle Unabhängigkeit erreicht haben. Dann will ich drei Jahre mit meinem Boot um die Welt segeln.“
Ein Lebenszeichen an die Hardcorefans
Auch wenn er bei seinem Karriereende Ende Vierzig war, drei Jahre lang war danach tatsächlich fast nichts von ihm zu hören: 2016 trommelte Raab mal bei einer Stadion-Show von Udo Lindenberg in Hamburg, 2017 kündigte er eine neue Fernsehshow an, die er allerdings nicht moderierte (und die dementsprechend kein großer Erfolg wurde). Ansonsten herrschte Schweigen. Umso größer war die Verwunderung, als es im vergangenen Dezember auf einmal Tickets für drei „Stefan Raab Live“-Shows Ende 2018 in Köln zu kaufen gab.
Warum Raab das macht? Marcel aus Dortmund, der am Donnerstag vor der Halle steht, sagt: „Wahrscheinlich ist es ihm doch schwer gefallen, nur zu Hause auf der Couch zu sitzen, nachdem er jahrelang im Rampenlicht stand.“ Die Hessin Ann-Kathrin sagt: „Er will wahrscheinlich mal ein Lebenszeichen an seine Hardcorefans senden.“ Aber sie sei schon gespannt, ob es nach dem Abend „irgendeine Hoffnung gibt“, dass Raab noch mal ins Fernsehen zurückkehrt. Ob sie Angst hat, enttäuscht zu werden? „Ehrlich gesagt schon.“
Von den 14.000 Plätzen in der Halle ist um 20 Uhr kaum noch einer frei. Es gibt kein Vorprogramm, niemand, der die Menge anheizt. Um 20:06 geht stattdessen einfach das Licht aus. Raabs früherer Dauerpraktikant Elton gibt über Lautsprecher Kommandos: „Licht wieder an, Licht aus, Licht an, Licht wieder aus.“ Dann läuft ein Countdown von zehn runter – und wieder hoch. Diese Art von kindischem Humor wird sich durch den ganzen Abend ziehen. Der Auftritt von Elton ist denkbar kurz. „Es gibt ihn wirklich noch“, ruft er in die Menge. Dann steht Stefan Raab mit Anzug und Krawatte auf der Bühne, singt seinen alten ESC-Song „Wadde hadde dudde da?“ und wird von den meisten Zuschauern fassungslos angestarrt: Es gibt ihn also wirklich noch.
Schnell ist dann tatsächlich alles so, wie es früher immer war. Raab macht sich ein bisschen über seine Band lustig („Wisst Ihr, warum die so dünn sind? Applaus ist das Brot der Künstler“), bereitet einen Running Gag vor („Wenn ich frage ,Wo sind die Hände‘, will ich keine Hände sehen, sondern hören: ,An den Armen.‘ Wir sind doch hier nicht bei DJ Ötzi“), und sucht sich dann eine erstaunlich schlagfertige Zuschauerin aus der ersten Reihe aus, die seinen Auftritt bei einem zweiten Opening ankündigen muss. Zur Belohnung bekommt sie unzählige Geschenke aus alten Zeiten: Eine „Wok-WM“-Mütze, ein „Schlag den Raab“-Shirt, ein TV Total-Schlüsselband. „Das sind alles Sachen, die gibt es nicht mehr, deswegen haben die so ein hohen Wert“, sagt Raab.
Natürlich beschreibt er sich damit auch selbst – zurecht, wie an diesem Abend schnell klar wird: Wenn man sich mit den heutigen Late-Night-Talkern Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf abgefunden hat, ist man es kaum noch gewohnt, dass man beim Zuschauen mal wirklich lachen muss, so verkrampft werden die Witze dort vorgetragen. Raabs Witze sind alberner und weniger relevant, es gibt aber heute niemanden mehr im deutschen Fernsehen, der sich auf der Bühne so wohlfühlt wie er und so einen ansteckenden Spaß am Quatschmachen hat.
Am Donnerstag verbringt er eine gefühlte Ewigkeit damit, bei den Mitgliedern seiner Band vermeintlich fehlende Körperteile zu ersetzen – am Ende umklammert er drei Bandmitglieder, zupft mit beiden Händen an den Saiten von Bassgitarren und spielt gleichzeitig mit dem Mund Saxophon. Selbst als er fragt, was der Unterschied zwischen einem Saxophon und einem Sack Zement ist („Puste mal rein, dann merkst du es“), muss man lachen, weil er daran so einen Spaß hat.
Wer Neues erwartet, der wird enttäuscht
Wer an diesem Abend allerdings darauf hofft, dass hier etwas Neues beginnt, dass Raab ein zweites Kapitel aufschlägt, wird enttäuscht: „Ich habe lange überlegt, was für Lieder wir hier spielen“, sagt er. „Ich war bei einigen Konzerten im letzten Jahr. Und wenn ich eines nicht hören will, sind es die zwei Songs von der neuen Platte. Ich will die alten Hits hören. Das setzt bei mir nostalgische Gedanken frei. Ich will die Songs hören, mit denen ich aufgewachsen bin.“
Damit ist der Rahmen für den Abend gesetzt: Gespielt werden „Ich liebe deutsche Land“, „Maschendrahtzaun“, „Hier kommt die Maus“ und „Kiffen“, wobei Raab sich wenigstens da ein paar neue Zeilen ausgedacht hat („Es sagt auch gern Andrea Nahles, gib noch ein Gramm, denn ich bezahl es.“) Insgesamt wirkt der Abend wie der sehr gelungene runde Geburtstag eines Mannes, der im Leben unglaublich viel erreicht, für die Zukunft aber keine Pläne mehr hat. Die Reden, die Kinder auf einen Jubilar halten, sind an diesem Abend Auftritte von Künstlern: Raabs Entdeckungen Stefanie Heinzmann und Max Mutzke singen, außerdem Rapper Sido, die Toten Hosen, die Komiker Luke Mockridge, Carolin Kebekus und Tedros Teclebrhan.
Zwischendurch erzählt der 51 Jahre alte Raab von der Vergangenheit, als wäre er ein alter Mann: Wie er nach seinem Abitur, dem Dienst bei der Bundeswehr und der Metzger-Lehre Ende der Achtziger Jahre sein Jura-Studium abgebrochen habe, um ohne Studio Musikproduzent zu werden, dafür einen Kredit gebraucht und einem 65 Jahre alten Bankangestellten seine Idee präsentiert habe: „Ich wollte ,MC Hammer‘ in Deutsch und lustig werden, also habe ich ihm mein Lied ,Ich bin behämmert‘ auf dem Ghettoblaster in der Bank vorgespielt.“ Den Kredit habe er nicht bekommen.
Dafür habe er heute noch das Lied von damals, dass er den Zuschauern dann auch gleich vorspielt – es ist so ziemlich die einzige neue Nummer, die Raab an diesem Abend präsentiert. Und die ist wohlgemerkt fast 30 Jahre alt. Nach rund drei Stunden Show sind die meisten Fans trotzdem zufrieden. Paul aus Frankfurt sagt: „Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn er die ganzen alten Lieder nicht gebracht hätte.“ Ob er nach diesem Abend glaubt, dass Raab noch mal ins Fernsehen zurückkehrt? „Nein. Er wollte sich nur noch mal beweisen, dass er es immer noch drauf hat.“