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Straße von Gibraltar : Ein Tunnel soll künftig Spanien und Marokko verbinden

Wo das Mittelmeer den Atlantik küsst: Die Straße von Gibraltar, an ihrer schmalsten Stelle nur etwa 14 Kilometer breit, trennt Spanien (oben) von Marokko. Bild: Science Photo Library

Die Idee gibt es schon lange, nun beginnen konkrete Planungen: Ein Tunnel unter der Straße von Gibraltar soll Spanien und Marokko verbinden. Davon könnten auch Menschen in Deutschland profitieren.

          3 Min.

          An der Straße von Gibraltar liegt Afrika von Europa aus zum Greifen nahe. Knapp 14 Kilometer ist die Meerenge breit. Migranten und Schmuggler zieht sie schon lange an. Jetzt wollen sich auch Spanien und Marokko noch näherkommen: Ein Tunnel soll die Kontinente verbinden. Nachdem die beiden Staaten ihre diplomatische Krise beigelegt haben, arbeiten sie wieder enger zusammen und wollen nun einen alten Plan vollenden. Vorbild ist der Eurotunnel von Calais nach Dover. Mehr als 40 Kilometer lang soll die neue Strecke sein, die voraussichtlich in der Nähe von Tarifa westlich von Gibraltar beginnt und am anderen Atlantikufer bei Tanger endet; knapp 30 Kilometer davon verlaufen unter dem Meer. Eine halbe Stunde könnte der Weg nach Afrika dann dauern. Fahrzeuge würden auf Züge verladen, Hochgeschwindigkeitszüge könnten verkehren – fast 300 Meter unter der Meeresoberfläche.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Nach Jahren des Stillstands erhöhen beide Seiten das Tempo. Die marokkanische Regierung beauftragte den Generaldirektor der Nationalen Gesellschaft für Studien über die Straße von Gibraltar damit, das Projekt voranzutreiben. Das spanische Parlament stellt im Staatshaushalt für das nächste Jahr 750.000 Euro für eine neue Studie bereit. Vor 40 Jahren wurde die staatliche Secegsa-Gesellschaft gegründet, nachdem 1979 der spanische König Juan Carlos I. und der marokkanische Monarch Hassan II. bei einem Treffen in Fez Einigkeit über den Plan erzielt hatten.

          Anfangs war eine schwimmende Brücke im Gespräch

          Mehrere Anläufe blieben unter der Meerenge stecken, die zu einer der am stärksten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt gehört. Die Variante „Cañón del Estrecho“ zwischen Punta Canales und Punta Cires schied bald aus. Sie wäre nur 14 Kilometer lang gewesen, hätte aber aus geologischen Gründen in 900 Meter Tiefe gebohrt werden müssen. Die Idee einer Brücke wurde ebenfalls verworfen. Sie hätte eine Spannweite von bis zu 5000 Metern gehabt und Türme von Hunderten Metern Höhe. Auch eine schwimmende Brücke mit Tunneln und einer künstlichen Insel war anfangs im Gespräch. Der ursprüng­liche Plan ist noch viel älter. 1869 brachte ihn der französische Ingenieur Jean Bap­tiste Berlier auf, der in Paris die Rohrpost erfand.

          Jetzt geht man von einer Bauzeit von rund 15 Jahren aus und von Kosten von mindestens fünf Milliarden Euro. Das klingt optimistisch, denn es wird eines der teuersten Bauvorhaben dieser Art mit großen technischen Herausforderungen sein. Laut „elDiario.es“ stehen die spanischen Planer in Kontakt mit der Herrenknecht AG in Baden-Württemberg, dem Marktführer bei Tunnelvortriebsmaschinen. „An­gesichts der Fortschritte bei den technischen Möglichkeiten von Bohr- und Vortriebssystemen und der jüngsten Erfahrungen beim Bau von tiefen Tunneln am Meeresuntergrund bestehen zunehmend günstige Aussichten“, heißt es optimistisch bei Secegsa.

          Von der Verbindung könnten viele profitieren

          Auch die Europäische Union zeigt sich interessiert, denn so könnte die erste Ei­senbahnlinie nach Afrika entstehen. In Ma­drid hofft man auf Gelder aus dem Covid-Wiederaufbaufonds. Durch die Röhren ließe sich auch „grüner“ Wasserstoff und mit regenerativen Energiequellen produzierter Strom nach Europa transportieren. Marokko treibt seit Jahren mit deutscher Unterstützung eine grüne Revolution voran. Die marokkanische Regierung prüft zudem nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs den Bau einer Gasleitung von Nigeria nach Marokko, die durch den Tunnel weiter nach Europa führen könnte.

          In London würde man nach dem Brexit die Kronkolonie in Gibraltar gern besser in Richtung Afrika vernetzen. Auch für die Re­gion um den Hafen von Algeciras könnte der Tunnelbau einen wichtigen Impuls bedeuten. Abgesehen vom Hafen, der zu den größten Spaniens zählt, gibt es dort we­nig Arbeit. Das „Campo de Gibraltar“ gehört zu den strukturschwächsten Gebieten in Spanien mit einer Jugendarbeits­losigkeit von bis zu 80 Prozent. Viele su­chen ihr Glück im Rauschgiftschmuggel.

          In Spanien müssten jedoch noch einige Vorarbeiten geleistet werden. Manche träu­men schon von Hochgeschwindigkeitszügen, mit denen man direkt von Madrid aus in wenigen Stunden in die marokkanische Hauptstadt Rabat käme – und eines Tages weiter bis nach Casablanca und Marrakesch. Von Tanger nach Rabat fährt schon ein Schnellzug, nach Algeciras da­gegen bisher nur ein Bummelzug. Ein An­schluss an das AVE-Hochgeschwindigkeitsnetz fehlt, während der „Mittelmeerkorridor“ von Frankreich nach Algeciras immer noch nicht fertig ist.

          Von dem Tunnel würden auch viele Ma­rokkaner aus Deutschland profitieren. Je­den Sommer setzt sich aus Mitteleuropa ein großer Fahrzeugtross in Richtung Nordafrika in Bewegung. Die meisten von ihnen fahren in Algeciras und Tarifa auf eine der zahlreichen Fähren. Während der jüngsten „Operación Paso del Estrecho“ – der Überquerung der Meerenge, die Spanien und Marokko jedes Jahr generalstabsmäßig organisieren – waren es 2,9 Millionen Passagiere in fast 700.000 Fahrzeugen.

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