Sex-Affären : Die Obsessionen der Alphatiere
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Meine Herren, welch eine Woche das war für allerlei Lektionen in Sexualkunde, nicht nur in politischer. Man weiß kaum, welche Aspekte der Enthüllungen über die geschlechtlichen Gewohnheiten von gleich zwei mächtigen Männern, Dominique Strauss-Kahn und Arnold Schwarzenegger, die eigene Aufmerksamkeit und Nachdenklichkeit kräftiger füttern werden.
Da gibt es den Politthriller: Einer der mächtigsten Banker des Planeten, von dessen Entscheidungen das Wohl und Wehe ganzer Volkswirtschaften abhängt; eine Suite im Nobelhotel; ein Zimmermädchen; der Vorwurf: versuchte Vergewaltigung. Festnahme, Haftrichter, Demütigung. Alles eine Verschwörung seines Widersachers, immerhin Präsident einer Großen Nation? Dann das Melodram: Der Ex-Bodybuilder, -Filmstar, -Gouverneur und seine Frau, Mitglied der glamourösesten Familie des Landes; seine Affäre mit einer Haushälterin, vollzogen angeblich zum Teil im ehelichen Bett; ein Kind, inzwischen 13, das im Haushalt der Betrogenen angeblich oft zu Besuch war über die Jahre.
Und was lernen wir? Auf die Gefahr hin, zu klingen wie Alice Schwarzer: Wir leben in einer Kultur, die besessen ist vom Körper der Frau. Beweisstück A: Wer war der heimliche Star der Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton? Braut-Schwester Pippa. Dazu musste sie nicht etwa eine originelle Rede halten oder dergleichen; sie musste ein Kleid tragen und, Verzeihung, rattenscharf aussehen. Das ist ein harmloses Beispiel, aber es markiert eine Prägung. In dieser Kultur gilt es gerade für Männer oft weiter als Zeichen und Zubehör von Macht, über Frauenkörper zu verfügen – recht unabhängig davon, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter einen historischen Höchststand erreicht hat. Das muss nicht gleich kriminell sein; jenseits der Verführung, bis hin zur Vergewaltigung, gibt es viele Schattierungen. Wenn Sex als etwas betrachtet wird, das einem Privilegierten zusteht wie der Dienstwagen, hat man die Grenze hinter sich gelassen.
Es geht um Macht, Status und Kontrolle
Es ist eben wahr: Sex ist kein Refugium, kein verlässliches wenigstens; er ist auf vielerlei Weise von Macht, Status und Kontrolle durchdrungen. Das machen Politiker und andere Mächtige, deren sexuelle Eskapaden auffliegen, von Bill Clinton über Silvio Berlusconi bis hin zu Schwarzenegger und Strauss-Kahn, nur publik, ungewollt selbstredend.
Im Falle Strauss-Kahn muss man dabei nicht einmal annehmen, dass er getan hat, was die New Yorker Staatsanwaltschaft ihm zur Last legt. Solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist, muss seine Unschuld vermutet werden. Die Anwälte des Franzosen werden wohl argumentieren, er habe mit dem Zimmermädchen Sex gehabt – aber „einvernehmlichen“, wie die Juristen sagen. Doch selbst wenn sich Strauss-Kahns Version der Ereignisse im „Sofitel“ vor Gericht durchsetzen sollte: Mittlerweile sind viele weitere Einzelheiten aus dem Liebesleben des ehemaligen Chefs des Internationalen Währungsfonds (IWF) in die Öffentlichkeit gedrungen, die bislang in der französischen Presse weitgehend unterschlagen wurden, weil die Journalisten sie seiner Privatsphäre zuordneten; aus ihnen ergibt sich das Bild eines seriellen Ehebrechers, der Frauen aggressiv umwarb – und dabei auch die Regalien seiner Position gezielt einsetzte.