Schwabenhass in Berlin : Die Super-Wessis und Proto-Yuppies
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Haut ab! Eindeutige Botschaft für Schwaben in Prenzlauer Berg Bild: Matthias Lüdecke - FAZ
Sie reden komisch und sind viel zu fleißig: In der Hauptstadt werden Schwaben so gehasst wie sonst keine andere Einwanderergruppe aus der Republik. Denn neben Käsespätzle und Häusle-Bauern fühlen sich die Berliner plötzlich fremd im eigenen Kiez.
Tini kam aus Schwäbisch Gmünd, einem großen Dorf mit hübschen Fachwerkhäusern, sagenhaft sauber. Berlin passte trotzdem zu ihr. Sie hatte sich die Haare rot gefärbt, wollte Piercings im Gesicht tragen, rauchte wie ein Schlot und sagte zwischendurch: „Berlin isch wirklich obercuul, gell?“ Das schon. Aber leider findet Berlin die Tini nicht cool.
Jedenfalls, wenn man den Kampagnen gegen ihre Landsleute glauben darf. Immer wieder steht an Hauswänden in Prenzlauer Berg: „Schwaben raus!“ Im vergangenen Jahr hingen rings um den Helmholtzplatz Plakate: „Schwaben in Prenzlauer Berg spießig, überwachungswütig in der Nachbarschaft und kein Sinn für Berliner Kultur. Was wollt ihr eigentlich hier???“ Sogar eine Demo war angekündigt: „Fuck Yuppies, gegen Porno-Hippie-Schwaben“. Wer damit gemeint ist, weiß die Stadtzeitung „Zitty“: „Er ist die Weiterentwicklung des Latte-Macchiato-Trinkers und des Urbanen Penners, allerdings mit mehr Geld. Der Porno-Hippie-Schwabe kann durchaus ein Medienmensch sein, muss aber nicht, möglicherweise verdient er sein Geld auch in der Werbung. Sein Ziel ist es, in einem Townhouse zu wohnen, das ist der schwäbische Ansatz. Porno wohl deshalb, weil er im Sommer gerne große Sonnenbrillen trägt, denn der Porno-Hippie-Schwabe ist am Ende auch ein Fashion-Victim.“ Auf der Internetseite fragte das Magazin, welchen Nachbarn der Berliner am meisten hasse. Der Schwabe führte die Liste an - vor der jungen Familie in Prenzlauer Berg und dem Öko-Faschisten.
„Die reden irgendwie falsch“
Das Schwabensein hat in Berlin nicht unbedingt etwas mit den süddeutschen Schwaben zu tun. Vielmehr ist es ein Synonym für all die pedantischen und reichen Zugezogenen aus dem Süden und Westen der Republik, die ihr Leben durch Berlin auffrischen wollen. „Die Schwaben, das sind die Super-Wessis“, sagt Niklas Vincetic aus dem Café „Toast“ am Helmholtzplatz. Heimat färbe ab: „Die haben eine ganz andere Mentalität als wir hier oben.“ Vincetic ist seit 1993 in Berlin und kommt aus Halle. Das sei Preußen. Junkerland. „Nicht so kleines Häuschen bauen, Familienbetrieb haben wie im Schwabenländle.“
Das Problem sei nicht primär, dass die Schwaben die Preise hochtreiben, zum Beispiel mit den von ihnen neu renovierten Wohnungen. Vincetic, der eine schwäbische Großmutter hat, sieht die Sache allgemeiner. „Es gibt einfach zu viele von denen hier. Die reden irgendwie falsch. Stehen mit geweiteten Augen im Blümchenhemdchen da, wenn was Normales passiert: ,Wasch macht denn der Punk da?'“ Vincetic seufzt und sagt: „Man fühlt sich plötzlich fremd im eigenen Kiez.“ Wieso kommen die Migranten überhaupt aus ihrem so schönen, reichen, ordentlichen Paradies in die chaotischste, dreckigste Stadt Deutschlands? Christian Fox lehnt sich in seinem drehbaren Designerstuhl zurück und überlegt: „Ich mag meine Heimat.“ Manchmal mache er Käsespätzle für seine Freunde. Die fänden's super. Seinen Akzent hat der 34 Jahre alte Süddeutsche aber trotzdem abgelegt. „Am Anfang kam ich ganz schlimm schwäbelnd daher.“ Doch zum Glück hatte er Freunde, die ihm sagten, dass er sich das besser schnell abgewöhne. „Sonst redet hier keiner mit dir.“
Das „Gell“ rutscht hier keinem mehr raus - zu gefährlich