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Treffen im Kreml : Wer hat Putins Tisch gebaut?

Auf Abstand: Dieses Foto von Putin, Scholz und Tisch veröffentlichte der Kreml. Bild: EPA

Die Welt staunt über den sehr langen Tisch, an dem Wladimir Putin Gäste empfängt. Nun behaupten gleich zwei Männer, das Möbelstück geschaffen zu haben.

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          Selten bekommt ein Tisch so viel Aufmerksamkeit wie die große Tafel, an der Wladimir Putin und Emmanuel Macron bei ihrem Treffen saßen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz saß bei seinem Besuch am Dienstag an der Stirnseite des glänzend weißen Tischs – Luftlinie etwa sechs Meter weit entfernt von seinem Gegenüber. Manche lasen die Anordnung als Symbol für inhaltliche Distanz, anderen diente sie als Vorlage für Witze. Memes im Internet funktionierten den Tisch zur Tischtennisplatte um oder fügten die zwölf Apostel hinzu, im Stil des „Letzten Abendmahls“. Auch gingen Videos um die Welt, in denen Putin und Macron am Tisch wippten wie die Kinder.

          Franziska Pröll
          Redakteurin im Ressort „Gesellschaft & Stil“.

          „Ich erkannte ihn sofort, als ich ihn sah. Ich bin stolz darauf. Ich freue mich immer, wenn ich meine Arbeit im Hintergrund von etwas Wichtigem sehe“, sagte nun Renato Pologna der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“. Sechs Meter lang sei der Tisch und 2,60 Meter breit. Er sei aus Holz gefertigt, weiß lackiert und eigenhändig mit Ornamenten aus Blattgold verziert worden.

          Den Konferenztisch beschreibt der Unternehmer aus Cantù bei Como als „sehr kleinen Teil“ der Arbeit, die er zwischen 1995 und 1997 im Kreml geleistet habe. „Es handelt sich um das Gebäude, das Sie hinter dem Lenin-Mausoleum sehen können und in dem sich heute die Büros des Präsidenten und die Präsidentenresidenz befinden“, sagte Pologna. Neben dem großen Saal, in dem Putin auf Scholz und Macron traf, habe er auch die Büros des Präsidenten, die Bibliothek und den Katharinensaal ausgestattet. Er sei für Möbel zuständig gewesen, sagte Pologna, andere Arbeiten wie Stuck an der Decke und Marmorverkleidungen habe er an Subunternehmer vergeben. Insgesamt habe er 7000 Quadratmeter auf zwei Stockwerken bearbeitet.

          Auch ein Spanier beansprucht, den Tisch gebaut zu haben

          Doch keinen Tag nachdem das Interview mit Pologna erschienen war, ver­öffentlichte die spanische Onlinezeitung NIUS einen Artikel mit der Überschrift „Von Valencia in den Kreml: Der riesige Tisch, den Putin für sein Treffen mit Macron ausgewählt hat, wurde in Alcàsser gefertigt“. Darin äußert sich ein Vicente, der als bekannter Möbelhersteller aus Alcàsser beschrieben wird, einer Gemeinde rund 15 Kilometer südlich von Valencia. Auch er gibt an, den Tisch „als eines von vielen Möbelstücken“ für den Kreml gefertigt zu haben. Beim Auftragsdatum bleibt Vicente etwas schwammig. „Er glaubt“, heißt es, das sei 2005 gewesen, beim Besuch einer russischen Delegation auf der Möbelmesse in Valencia. Ein „ausländischer Vermittler“ habe ihm den Auftrag verschafft.

          Gern hätte man bei Vicente persönlich nachgefragt. In Alcàsser sitzt ein Möbelunternehmer namens Vicente Zaragoza, der auf seiner Website Tische im Putin-Stil abbildet. Doch weder auf Anrufe noch auf Mails reagiert er – verdächtig. Seit ihrer Gründung 1972 hat die Firma laut Website Kunden aus mehr als 40 Ländern gewonnen: „Unsere Möbel wurden von Präsidenten so unterschiedlicher Länder wie Russland, China, Usbekistan, Singapur, Philippinen, Ukraine und Kambodscha gekauft.“

          Pologna, der italienische Möbelhersteller, erzählte im Interview ausführlich von seinen Besuchen im Kreml. „Ich erinnere mich, dass die Sicherheit beeindruckend war. Wir hatten einen Passierschein, um rein- und rauszukommen. Die Möbel mussten durch den Scanner, wir durften keine Fotos machen.“ Boris Jelzin, den damaligen russischen Präsidenten, habe er nicht kennengelernt.

          Seine Einnahmen beziffert Pologna nur ungefähr. „An die genauen Zahlen erinnere ich mich nicht, vielleicht ein paar Milliarden Lire“, wird er zitiert. Eine Milliarde Lire wären nach dem heutigen Kurs mehr als 500.000 Euro. Was würde eine Kopie des durch Putin berühmt gewordenen Tischs heute kosten? „Ach, vielleicht 100.000 Euro“, sagte der Unternehmer, der offenbar vor allem für kaufkräftige Kunden produziert. „Ich habe viel eingerichtet in arabischen Ländern, für Scheichs und königliche Familien.“ Auch Muammar al-Gaddafi habe ihn beauftragt.

          Ob der Konferenztisch nun aus Italien oder Spanien stammt, ob Pologna oder Zaragoza ihn gefertigt haben – seine Länge hat jedenfalls nichts mit den Abstandsregeln der Pandemie zu tun, denn er ist älter als das Virus. Mit seiner eigenwilligen Ästhetik hat er einen Nerv getroffen. Die Memes im Internet jedenfalls findet Pologna lustig: „Wir können sagen, dass es ein Tisch ist, der Kreativität anregt.“ Das kann man nur hoffen.

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