Religion : Millionen Moslems in Deutschland begehen Fastenmonat Ramadan
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Vor dem Ramadan erlaubt: Trinken während des Tages Bild: AP
Mitte November beginnt der für gläubige Moslems der Fastenmonat Ramadan. Zwischen Sonnenaufgang und -untergang darf nicht gegessen werden - eine religiöse Pflicht, die mit dem deutschen Arbeitsleben schwer vereinbar ist.
Für die rund 1,2 Milliarden Moslems weltweit beginnt Mitte November der Fastenmonat Ramadan. Auch in Deutschland wird 29 bis 30 Tage lang gefastet, abhängig vom Mondkalender. „3,2 Millionen Moslems leben hier, und von ihnen hielten sich im vergangenen Jahr etwa zwei Drittel an das Fastengebot zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang“, sagt Salim Abdullah. Der Leiter des 1927 gegründeten „Islam-Archiv-Deutschland“ in Soest vermutet, dass sich jedoch dieses Jahr weit mehr Moslems am Ramadan beteiligen werden - um für Frieden in Afghanistan zu beten. Leicht macht ihnen das die deutsche Arbeitsrealität allerdings nicht.
"In moslemischen Ländern wird während des Ramadans nur bis etwa 14 Uhr gearbeitet“, erläutert Abdullah Breshna. Der 68-Jährige gehört zur kleinen afghanischen Gemeinde im badischen Karlsruhe. „Am Nachmittag werden üblicherweise alle Büros und Läden geschlossen, weil die Menschen von Hunger und vor allem Durst meist schon sehr geschwächt sind. Hierzulande geht es allerdings nicht, so früh mit der Arbeit aufzuhören.“ Der Diplom-Ingenieur, der mit seiner Familie die Heimat verließ, als 1980 sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschierten, fastet aber im Gegensatz zu seiner Frau nicht mit: „Menschen mit einer verantwortungsvollen Tätigkeit, auch etwa als Computerspezialist oder Chirurg in einer Klinik, sind von der Pflicht entbunden.“
Fasten ist eine der fünf Hauptpflichten des Islam
Die Pflicht zu Fasten hat im Islam größere Bedeutung als etwa das vorösterliche Fastengebot im Christentum. Der
deutschsprachige Muslimkreis Karlsruhe bezeichnet das Fasten daher auch als „eine Form des Gottesdienstes“. Es gehöre zu den so genannten fünf Säulen, den Hauptpflichten des Islam. Die vier weiteren Säulen sind das Bezeugen der Einheit Gottes, das tägliche fünfmalige Gebet, die Wallfahrt nach Mekka und das Spenden von Almosen für Bedürftige.
Die Iranerin Zahra Ide-Kaviar und der Tunesier Jamil Mathlouthi gehören zu jenen Moslems, die sich an den Ramadan halten. Die 27-jährige Zahra ist seit zweieinhalb Jahren in Deutschland und arbeitet als Krankengymnastin; der 33-jährige Jamil lebt seit vier Jahren in Karlsruhe und verkauft Büromaschinen. Beide wollen trotz ihrer langen Arbeitszeiten fasten. „Und auch etwas mehr beten“, sagt Jamil, der den Ramadan Teil seiner „kulturellen Identität“
nennt.
Im DaimlerChrysler-Werk Stuttgart-Untertürkheim wird es ihnen etwa jeder Zehnte der dort beschäftigten 1500 Türken gleichtun. „Das Unternehmen nimmt darauf so weit wie möglich Rücksicht“, sagt der türkische Betriebsrat Ali Kul. Den Gläubigen würden individuelle Pausenmöglichkeiten zum Beten eingeräumt. Falls möglich, würden sie auch in Nachtschichten eingeteilt oder bekämen Freischichten während der dreitägigen Feier am Ende des Ramadans zugeteilt.
Am Ende ein Fest wie Weihnachten
Abdullah vom Islam-Archiv bezeichnet diese Rücksicht als jahrelange Praxis und verweist auf das Beispiel Saarland: Dort bekommen moslemische Schulkinder bereits seit Ende der 70er Jahre an allen Hochfesten des Islam einen Tag frei. Die Regelung wurde später von allen Bundesländern übernommen. Für die Kinder ist das Fest am Ende des Ramadans, das auf arabisch „Id-ul Fitr“ heißt und auf türkisch „Ramazan Bayrami“, immer wieder eine wichtige Feier:
Dann gibt es für sie Geschenke, so wie für Christenkinder an Weihnachten.
Für die Erwachsenen ist der Ramadan diesmal „ein Licht in dieser schwarzen Zeit“, meint der Leiter des Islam-Archivs mit Blick auf den Krieg in Afghanistan. Er vermutet, dass nun im Fastenmonat „wieder mehr für den Frieden gebetet wird“. Der Widerstand der Taliban und ihrer Hilfstruppen könnte gleichwohl erbitterter werden: Fundamentalisten glauben an einen besonderen Platz im Paradies, wenn sie im Ramadan den Märtyrertod sterben. Im zehnjährigen algerischen Bürgerkrieg mit 100.000 Toten wurde im Ramadan oft besonders heftig gekämpft.