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Ägypten : „Der größte Sündenpfuhl für Gruppenperversion“

  • -Aktualisiert am

Der Besuch eines Hamams kann in Ägypten gefährlich sein Bild: AFP

Unlängst stürmten Polizisten einen Hamam in Kairo. Es ist nur der jüngste Schritt einer Kampagne, die sich gegen die kleine Homosexuellen-Szene des Landes richtet. Die Sisi-Regierung wolle islamischer als die Islamisten erscheinen, meinen Kritiker.

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          Die Bilder waren aufrüttelnd: Zwei Dutzend nackte Männer, die Hände vors Gesicht geschlagen, werden von ägyptischen Polizisten in einen Mannschaftswagen gepfercht. Das war zu Beginn der Woche, als die Beamten die Männer abends aus einem Hamam zerrten und wegen angeblicher Verstöße gegen die Sittengesetze des nordafrikanischen Landes festnahmen. An Ort und Stelle dabei war die Reporterin eines staatsnahen Fernsehsenders, der die Bilder der Gedemütigten unverzüglich auf der Facebook-Seite der Sendung „Al Mestakhabi“ („Die Versteckten“) veröffentlichte.

          „Al Mestakhabi ist es gelungen, einen Verschlag dichtmachen zu lassen, in dem Männer Sex miteinander hatten. Sie wurden alle auf frischer Tat ertappt“, brüstete sich die Journalistin Mona Iraqi und sprach vom „größten Sündenpfuhl für Gruppenperversion in Kairo“. Als willige Helferin des Regimes von General Abd al Fattah al Sisi, der in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und des Krieges gegen bewaffnete Islamisten auf der Sinai-Halbinsel verzweifelt auf der Suche nach Legitimität ist, steigerte Iraqi mit ihrem Filmbericht nicht nur die Einschaltquote - sie unterstützt so auch die Sittenkampagnen der Regierung.

          Gummiparagraphen gegen „sexuell abweichendes Verhalten“

          Die Verhaftung der 26 Männer ist nur der letzte Schritt einer Kampagne, die sich gegen die kleine Homosexuellen-Szene des Landes richtet. Erst im November waren acht Männer zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil sie im Sommer auf einem Ausflugsboot angeblich eine „Schwulen-Hochzeit“ gefeiert hatten. Auch damals waren regierungsnahe Medien dabei, wie die Tageszeitung „Youm7“, die ein Video von sich küssenden und umarmenden Männern auf ihrer Website veröffentlichte. Das zog eine Flut von Kommentaren erboster Leser nach sich. Repräsentanten der von Sisi gestürzten Muslimbruderschaft sahen in dem Film gar einen Beweis dafür, dass der „Putsch-Präsident“ Ägypten zu einem „Ort der Sünde“ gemacht habe. Das Regime habe die „Agenda des Westens“ übernommen, twitterte ein Sprecher.

          Dalia Abdel Hamid von der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte erklärt das harte Vorgehen der Sisi-Regierung gegen Homosexuelle als den Versuch, „islamischer als die Islamisten“ zu erscheinen. Der dem Namen nach säkulare Staat gehe mit einem „religiösen Eifer“ vor, wie es ihn selbst unter der Herrschaft der Muslimbruderschaft nicht gegeben habe. Gummiparagraphen stellen „sexuell abweichendes Verhalten“, „Ausschweifung“ und „Beleidigung öffentlicher Werte“ unter Höchststrafen von bis zu zwölf Jahren.

          Angst, in die Fänge des Überwachungsapparats zu geraten

          Homosexualität ist in Ägypten offiziell nicht verboten, aber sozial verpönt. Verhaftungen unter dem Vorwurf der Unmoral gibt es seit langem. Unter Sisis Vorvorgänger Husni Mubarak waren 2001 im sogenannten Queen-Boat-Fall mehr als 50 Männer festgenommen worden, weil sie bei einer Party auf einem Boot mit perversen sexuellen Handlungen gegen den Islam verstoßen hätten.

          Für die Hamam-Besucher, die zu Beginn der Woche festgesetzt wurden, verspricht das nichts Gutes. Richtete sich die Repression des Regimes bislang vor allem gegen Islamisten, Journalisten und Demokratie-Aktivisten, sind nun offenbar die Homosexuellen an der Reihe. Aus Angst davor, in die Fänge des staatlichen Überwachungsapparats zu geraten, meiden viele Schwule und Lesben inzwischen auch die sozialen Medien. Dort läuft seit den jüngsten Verhaftungen unter dem Hashtag #stopjailinggays eine Kampagne gegen die von oben gelenkte Verfolgung.

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