Raumfahrt : Wir müssen drunten bleiben
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Die vier Astronauten, die am Freitag unter dem Kommando des Marinefliegers Chris Ferguson an Bord der Raumfähre Atlantis vom Cape Canaveral zur Internationalen Raumstation (ISS) aufbrechen, bilden nun die letzte Mannschaft, die je die Beschleunigung von mehreren „g“ an Bord eines Shuttle erleben wird. Nach knapp 30 Jahren geht damit die Ära der amerikanischen Raumfähren zu Ende. Wollen amerikanische Astronauten in den nächsten Jahren ins All, müssen sie bei ihren russischen Kollegen einen Flugschein buchen. Der Preis für einen Flug zur ISS: 51 Millionen Dollar. Denn mit dem 135. Flug einer Raumfähre stellt die Nasa nicht nur die Shuttle-Flotte außer Dienst. Sie verabschiedet sich auch für absehbare Zeit aus der bemannten Raumfahrt.
Die Einstellung der Raumfährenflüge wird in Vandenberg kaum Spuren hinterlassen. Pläne, dort einen Weltraumbahnhof einzurichten, wurden schon nach dem Absturz der Raumfähre Challenger im Jahr 1986 aufgegeben. Für die Gegend ums Cape Canaveral ist die vorläufige Einstellung der bemannten Raumflüge aber ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust. Nach dem letzten Flug der Atlantis werden etwa 27 000 Beschäftigte am Kennedy-Raumfahrtzentrum und in den Zulieferbetrieben ihre Arbeitsplätze verloren haben. Von den 45.000 Einwohnern der unmittelbar am Cape Canaveral gelegenen Kleinstadt Titusville sind 8000 bei der Nasa und in der Raumfahrtindustrie tätig. Mehr als 2000 von ihnen sind schon arbeitslos oder stehen kurz vor der Entlassung, fast ausnahmslos gut ausgebildete Techniker, Ingenieure und Akademiker.
Aussicht auf einen angenehmen Lebensabend verloren
Die Wände der meisten Gasthäuser in Titusville sind voller Memorabilia der Raumfahrt. Auf handsignierten Fotos posieren Astronauten in orangefarbenen Weltraumanzügen, ihren Helm unter den Arm geklemmt. Autogramme zieren die Fotos von feurigen Raketenstarts. Das „King's Duck Inn“ liegt an einer der Zufahrtsstraßen zum Raumfahrtzentrum, viele Angestellte tranken dort nach Feierabend einen Absacker. So auch Garry Broughton, der als Ingenieur 32 Jahre für die Nasa und die Raumfahrtindustrie gearbeitet hat. Vor wenigen Monaten wurde er entlassen und hat im Alter von 55 Jahren keine Aussicht mehr auf eine Wiedereinstellung. Es sei eine Schande, sagt er, dass Präsident Barack Obama das Programm „Constellation“ gestrichen habe.
Ursprünglich von Präsident George W. Bush 2004 nach dem Absturz der Raumfähre Columbia ausgerufen, sollten amerikanische Astronauten künftig im Rahmen von „Constellation“ auf den Mond zurückkehren und später sogar zum Mars fliegen. Aber weder Bush noch der Kongress in Washington genehmigten der Nasa das nötige Geld. Obama stellte das siechende Programm schließlich vollständig ein. „Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll“, sagt Broughton und erzählt von ehemaligen Kollegen, die mit dem Job auch ihr Haus und die Aussichten auf einen angenehmen Lebensabend verloren haben.