Sorge vor Verfolgung : Hilfe für queere Ukrainer
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Zwei Frauen küssen sich während der jährlichen Gay-Pride-Parade im September 2021 in Kiew. Bild: dpa
Ein Verein will queeren Ukrainern helfen, aus dem Land zu fliehen. Nicht nur homosexuelle Männer seien aktuell in einer ungeschützten Situation.
Am 30. Juni 2013 unterschrieb der russische Präsident Wladimir Putin ein Gesetz gegen „Homosexuellen-Propaganda“. Positive Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet stehen in Russland seitdem unter Strafe, bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Geldbußen. Aus Angst vor Verfolgung verließen in den Jahren danach queere – also nichtheterosexuelle – Aktivisten das Land, auch in Richtung Deutschland.
Hilfe fanden sie 2015 bei dem Verein Quarteera, in dem sich seit 2011 queere russischsprachige Menschen in Deutschland zusammengeschlossen haben. Dieser Verein mit etwa 150 Mitgliedern und Sitz in Berlin will die Erfahrungen von 2015 jetzt nutzen, um queeren Menschen zu helfen, die nach dem Überfall Russlands aus der Ukraine fliehen wollen. In einem Spendenaufruf heißt es: „Wir werden alles tun, was in unserer Kraft liegt, um den LGBTQ*-Menschen zu helfen, die sich gezwungen sehen, die Ukraine zu verlassen und nach Deutschland zu kommen.“
Svetlana Shaytanova ist Pressesprecherin von Quarteera. Sie sagt: „Für viele queere Familien ist es sehr kompliziert zu fliehen, deswegen möchten wir helfen.“ Transfrauen, bei denen das richtige Geschlecht noch nicht in den offiziellen Papieren eingetragen worden sei, dürften das Land zum Beispiel nicht verlassen, weil sie als wehrpflichtig gelten. „Das gilt auch, wenn ihre körperliche Transition schon abgeschlossen ist.“ Auch schwule Männer seien in der Ukraine aktuell in einer ungeschützten Situation, „da appellieren wir dringend an die Politik, dass sie aus dem Land geholt werden, wenn sie das wollen“.
„Verfolgt, ins Gefängnis gesperrt und getötet“
Eines der Vereinsziele von Quarteera ist es, über die aktuelle Lage von queeren Menschen in Ländern der ehemaligen Sowjetunion aufzuklären. „Das fehlte lange in der deutschen Gesellschaft“, sagt Shaytanova. Noch schlimmer als in Russland sei die Lage für queere Menschen in Belarus, auch von dort aus wird die Ukraine gerade angegriffen. Homosexuelle würden in Belarus in Gefängnissen gefoltert und dann öffentlich geoutet, sagt Shaytanova. In der Ukraine kämpfen auch Spezialeinheiten aus Tschetschenien. „In Tschetschenien gibt es offiziell gar keine queeren Menschen“, sagt Shaytanova. „In Wirklichkeit werden sie dort verfolgt, ins Gefängnis gesperrt und getötet.“
Der Verein Quarteera ist jetzt in Kontakt mit Partnervereinen, die an der ukrainischen Grenze Flüchtlinge empfangen. „Noch haben wir keinen Kontakt zu queeren Betroffenen“, sagt Shaytanova. Deswegen sollen jetzt Plakate an Orten installiert werden, an denen Flüchtlinge ankommen. „Damit queere Flüchtlinge wissen, dass sie zu uns kommen können.“ Im Gegensatz zu 2015 wolle man diesmal queeren Menschen auch aktiv bei der Flucht aus ihrem Heimatland helfen. Dafür ist Quarteera schon in Kontakt mit Partnern in der Ukraine.
Am Montag machte auch der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland darauf aufmerksam, dass queere Menschen in der Ukraine zurzeit besonders in Gefahr seien. „Zahlreiche Organisationen aus der LSBTIQ*-Community in Deutschland haben sich daher im Bündnis Queere Nothilfe Ukraine zusammengeschlossen“, hieß es in einer Mitteilung. Mit einer Petition forderten sie die Bundesregierung auf, „alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um gefährdeten Menschen aus der Ukraine Schutz zu gewähren“.