https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/pick-up-artists-manipulative-und-frauenfeindliche-aufreisser-11908961.html

„Pick-Up Artists“ : Du bist ja ein ganz kleines Mädchen

Bild: Simon Schwartz

Sie nennen sich „Pick-Up Artists“ und machen Jagd auf Frauen. Um diese ins Bett zu kriegen, setzen die Männer auf emotionale Manipulation. Um Gefühle geht es selten.

          7 Min.

          Irina, 27, ist auf einem Salsa-Abend, als ihr plötzlich jemand eine Zigarette anbietet. Der Mann ist einen Kopf größer als sie, in ihrem Alter, muskulös, ausreichend attraktiv. Sie kommen ins Gespräch, sie findet ihn sympathisch und gibt ihm ihre Telefonnummer. Ein paar Tage später ruft er sie abends um 23 Uhr an und will sie treffen. Sie weigert sich. Einige Monate später meldet er sich abermals, und sie stimmt einem Wiedersehen zu. „Mir gefiel, dass er nicht locker ließ“, erzählt Irina, die in Wirklichkeit anders heißt.

          Katrin Hummel
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Dann das erste Treffen. Es wird ein schöner Abend, vor allem deshalb, weil der Mann ihr sehr weiblich vorkommt und für alles Verständnis hat. „Er wollte alle meine Gefühle analysieren, er berichtete von Dingen, die ihm gefielen, und sagte, dies und jenes müssten wir unbedingt mal zusammen machen, das würde mir gefallen.“ Er spielte mir ihr Handlesen und Zahlenraten, er sagte: „Unsere Kinder würden toll: So schön wie du und so witzig wie ich.“

          Sie hatte das Gefühl, er habe großes Interesse daran, sie besser kennenzulernen. Das schmeichelte ihr, gleichzeitig fand sie sein Verhalten ein wenig albern. Aber sie fühlte sich ihm sehr nah, und als er sie nach zwei Stunden küssen wollte, schien ihr das eine gute Idee. Im Rückblick fällt ihr auf: Er tat alles, um so schnell wie möglich eine Bindung herzustellen.

          „Du darfst mich jetzt küssen“

          Als er an diesem Abend ging, verabredeten sie sich für den nächsten Tag um 22 Uhr. Erst kurz vorher teilte er ihr den Treffpunkt mit: bei ihm zu Hause. Sie weigerte sich, das ging ihr zu schnell. Doch wiedersehen wollte sie ihn trotzdem, und so ließ sie sich auf ein Treffen in ihrer WG ein. Er kam zweieinhalb Stunden zu spät und begrüßte sie mit den Worten: „Hier ist dein Hauptgewinn.“

          Dann setzte er sich breitbeinig aufs Sofa und sah ihr beim Teekochen zu. Als sie damit fertig war, lag er schon auf ihrem Bett. Sie legte sich zu ihm, irgendwann rollte er sie auf sich und wartete darauf, dass sie ihn küssen würde. Als sie das nicht tat, sagte er: „Du darfst mich jetzt küssen.“ „Und wenn ich nicht will?“, fragte sie. Da küsste er sie, und als er damit aufhörte, blickte er sie an und stellte fest: „Du bist ja ein ganz kleines Mädchen. Ich muss jetzt los.“ Dann ging er.

          Zu weiteren Verabredungen kam es nicht, weil er sie platzen ließ. Es gab mehrere Telefonate. In einem schrie er sie an: „Du kriegst nicht das ganze Paket, du kriegst mich nicht, du kannst mich nicht als Menschen haben!“ Über einen Bekannten fand Irina schließlich heraus, dass er ein „Pick-Up Artist“ war. Und auf einmal konnte sie sich erklären, was sie erlebt hatte.

          Manipulative, frauenfeindliche Aufreißer

          “Pick-Up Artists sind manipulative, frauenfeindliche Aufreißer, die einem mehrstufigen Plan vom ersten Ansprechen bis zum Sex folgen und eine große Zahl von einstudierten Verhaltensmustern und Tricks nutzen, um möglichst viele Frauen flachzulegen“, sagt die Soziologin Leonie Viola Thöne, die das Phänomen in ihrer Masterarbeit untersucht hat. Ihr Fazit: „Diese Männer wollen die Frau brechen.“

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Delegierte auf dem Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt

          Gleichauf mit der SPD : Wundert sich jemand über den Erfolg der AfD?

          Die SPD kann in der Ampelkoalition kaum Akzente setzen. Der Kanzler fällt als Zugpferd aus. Die CDU profitiert nur wenig. Für die Themen, die Protestwähler in die Arme der AfD treiben, fällt ihnen allen nicht viel ein.
          Deutsche Verhältnisse: Der Textilhersteller Trigema fertigt in Burladingen – Ausbeutung finde anderswo statt.

          EU-Lieferkettengesetz : „Ein Sargnagel für den kleinen Mittelstand“

          Die Pläne der EU sehen noch schärfere Lieferketten-Regeln vor als in Deutschland. Viele in der Textilbranche finden das gut. Andere Mittelständler nennen das Gesetz weltfremd. Einer warnt: „Andere Nationen lachen über uns.“

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.