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Pflegevater über Hussein K. : „Distanziert war er immer“

Der geständige Angeklagte Hussein K. sitzt im Gerichtssaal im Landgericht Freiburg (Aufnahme vom 11. September 2017). Bild: dpa

Im Freiburger Mordprozess gegen den Flüchtling Hussein K. hat jetzt der Pflegevater ausgesagt. Der 61 Jahre alte Arzt und seine Frau, eine Psychologin, hatten Hussein K. bei sich aufgenommen. Viel wussten sie nicht über ihn.

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          Er habe schließlich keinen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung von Hussein K. gehabt, sagt Dr. Saber S. Es ist der sechste Verhandlungstag im Freiburger Strafprozess gegen Hussein K. Dem geständigen afghanischen Flüchtling wird vorgeworfen, am 16. Oktober 2016 die 21 Jahre alte Medizinstudentin Maria L. vergewaltigt und ermordet zu haben. Der Beschuldigte reiste als angeblich minderjähriger Flüchtling ein, war damals wahrscheinlich aber schon 18 Jahre alt. Am Tatort an der Dreisam sind in diesen Tagen frische Blumen abgelegt worden. Maria Ls. Eltern haben sich in einer Traueranzeige noch einmal für die vielfache Anteilnahme bedankt.

          Rüdiger Soldt
          Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.

          Der 61 Jahre alte Arzt Saber S. und seine 56 Jahre alte Frau, eine Psychologin, hatten Hussein K. im April 2016 in ihrer Einliegerwohnung in einer großzügigen Stadtvilla im Freiburger Osten aufgenommen. Das Ehepaar stammt aus Afghanistan – Hussein K. wiederum ist ein afghanischer Hazari. Man könnte also vermuten, dass es sich um nahezu ideale Bedingungen gehandelt haben musste, in die Hussein K. in Südbaden geraten war. Von April 2016 an bis zu seiner Verhaftung Anfang Dezember lebte er mit einem zweiten Flüchtling in der Einliegerwohnung der Familie S.

          „Er war freundlich, bestimmt, distanziert, aber über seine Vergangenheit sprach er nur ungern“, sagt Saber S. Ihm sei aufgefallen, dass er gut Griechisch gesprochen habe, auf Nachfrage habe er erklärt, das habe er in Iran gelernt. Dass er in Griechenland wegen eines Mordversuchs schon im Gefängnis gesessen hatte, verschwieg Hussein K. seinem Pflegevater.

          Von den nächtlichen Sauftouren wussten sie nichts

          Von dem Doppelleben seines Schützlings wollen die Pflegeeltern nichts mitbekommen haben. Von den nächtlichen Sauf- und Kiffer-Touren durch die Freiburger Parks wollen sie nichts gewusst haben. Die Richterin fragt den sympathischen Arzt, ob er gewusst habe, dass Hussein vor und nach der Schule Marihuana geraucht habe. „Wenn man Marihuana raucht, dann sieht man das in der Wohnung, ja, ich kenne den Geruch. Hussein war aber immer kontrolliert und orientiert“, sagt Saber S. Etwa „dreimal in der Woche“ habe er seinen Pflegesohn gesehen, die meiste Zeit habe sich aber seine Frau um ihn gekümmert, die habe ihn „fast jeden Tag“ gesehen. An den Wochenenden sei er oft bei Freunden gewesen, Saber S. will sogar nicht völlig ausschließen, dass Hussein K. einmal zehn Tage nicht zu Hause war. „Ich habe nie Alkohol gerochen oder in seiner Wohnung etwas Auffälliges gefunden“, berichtet er.

          Die Themen Frauen, Sexualität und Vergangenheit waren Tabu. Mehrmals habe er mit Hussein über dessen Zukunftsperspektiven gesprochen. Erst interessierte sich Hussein für eine Tischlerlehre, dann wollte er kaufmännischer Angestellter werden, schließlich Flugbegleiter. Für andere minderjährige Flüchtlinge war Hussein offenbar eine Art Meinungsführer. „Er war bestimmt, er gab den anderen Jungs Tipps, wie sie sich anzuziehen hätten.“ Einmal untersuchte der Arzt ihn sogar, er habe einen Infekt und Asthma diagnostiziert. Ob er bei der Untersuchung das Alter habe schätzen können, will die Richterin wissen: „Er wirkte wie ein erwachsener junger Mann.“ Sollte Hussein K. als Heranwachsender nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, spricht diese Diagnose des Pflegevaters jedenfalls nicht für eine verzögerte körperliche Entwicklung.

          Durch die Zeugenaussage von Saber S. wird deutlich, dass die Aufsicht und Kontrolle durch die Familie, das Landratsamt und den Jugendhilfeträger rückblickend viel zu lax waren. Etwa 2800 Euro pro Flüchtling pro Monat bekamen die Pflegeeltern für die Pflege. 400 Euro Taschengeld zahlten sie Hussein aus. Hussein K. lebte noch anderthalb Monate nach dem Mord an der Dreisam in der Familie, und auch nach der Tat fiel den Pflegeeltern nichts Wesentliches auf. Er habe etwas trauriger gewirkt, sagt Saber S. Auf Nachfrage habe er gesagt, dass er zu seiner kranken Mutter nach Iran wolle. Sogar eine Anfrage beim Vormund, ob er ausreisen dürfe, habe es gegeben. Vielleicht war es ein erster Schritt Hussein K.s, eine Flucht vor den deutschen Strafverfolgern zu planen.

          Fragen, die strafrechtlich irrelevant, aber politisch interessant bleiben, kamen in der Verhandlung am Dienstag kaum zur Sprache. Wie intensiv kümmerte sich der Jugendhilfeträger „Wiese“ noch um Hussein K., nachdem er in der Familie aufgenommen worden war? Warum wurde nicht kontrolliert, wie intensiv sich die Pflegeeltern um die Flüchtlinge kümmerten? „Distanziert war er immer, vor allem, wenn es um persönliche Sachen ging“, sagte Saber S. am Dienstag. Nach dem Mord, im November, sei die Distanz noch weiter gewachsen.

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