Organspende : Transplantierte Tollwut
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Ein Ärzteteam bei der Transplantation einer Niere Bild: dpa
Ein schrecklicher Einzelfall zieht seine Kreise: Nachdem eine Organspenderin die fast ausgerottete Krankheit übertragen hat, fürchten Mediziner nun einen Rückgang der Spendebereitschaft.
Von der Frau, die zu einem der gravierendsten Zwischenfälle in der deutschen Transplantationsmedizin geführt hat, weiß man wenig: Sie war 26 Jahre alt, konsumierte gelegentlich Rauschgift und war im Herbst auf Reisen in Indien. Nach dem Konsum von Kokain und Ecstasy erlitt sie im Dezember einen Herzstillstand. Wiederbelebungsversuche in der Universitätsklinik Mainz scheiterten. Der Hirntod trat ein.
Die Tote wurde den von der Bundesärztekammer für Transplantationen vorgeschriebenen Untersuchungen unterzogen. Dann entnahm man ihr Leber, Lunge, Nieren, Bauchspeicheldrüse und Augenhornhäute. Die entnommenen Organe wurden wie üblich auf das mögliche Vorliegen einer Sepsis, also einer Blutvergiftung, auf bösartige Tumore, Bakterien und Viren (Hepatitis und HIV) überprüft. Gefunden wurde nichts.
Bei Untersuchungen nicht entdeckbar
Hätte man das Unheil, das nun seinen Lauf nahm, nicht aufhalten können? Nein, meinen Mediziner. Zunächst einmal sind nach den Richtlinien der Bundesärztekammer Organspender, die gelegentlich Rauschgift konsumiert haben, nicht als Risikofälle eingestuft - anders als Rauschgiftsüchtige, die sich das Gift über lange Zeit intravenös gespritzt haben. Der extrem seltene Fall einer Tollwutinfektion kann bei den Untersuchungen nicht entdeckt werden. Die Tests auf Tollwutinfektion sind langwierig. Spenderorgane müssen nach Entnahme innerhalb von zwölf bis vierzehn Stunden verpflanzt werden.
Wegen der langen Inkubationszeit der Tollwut ist es schwierig, festzustellen, ob ein Spender an Tollwut leidet. Nach einem Biß - nur für diese Übertragungsform gibt es Erfahrungswerte - dauert es zwischen drei und acht Wochen, bis das Virus ins Gehirn gewandert ist und die Krankheit ausbricht. Die entnommenen Organe müssen lange vor dem Vorliegen der Testergebnisse transplantiert sein. Der Ärztliche Direktor des Mainzer Universitätsklinikums Manfred Thelen sagt: „Die Diagnostik auf eine mögliche Tollwuterkrankung im Vorfeld einer Transplantation ist unmöglich.“
Tollwut endet fast immer tödlich
Über Familienangehörige der Spenderin wurde bekannt, daß sich die junge Frau im Oktober des vergangenen Jahres in Indien aufgehalten hatte. Anders als in Deutschland, wo die Tollwut so gut wie ausgerottet ist, sterben in Indien jedes Jahr mehr als 30.000 Personen an der Krankheit, die nicht zu behandeln ist und fast immer zum Tode führt. Die einzige bislang bekannte Ausnahme wurde im November des vergangenen Jahres vom „Center for Disease Control and Prevention“, dem amerikanischen Bundesseuchenamt, aus dem Bundesstaat Wisconsin berichtet. Die fünfzehn Jahre alte Jeanna Giese, die im September während eines Gottesdienstbesuchs von einer Fledermaus gebissen worden war, sei der erste Mensch, der die Tollwut ohne Impfung dagegen überlebt habe.
Ihre Heilung müsse als Wunder gelten, bis die Anti-Virus-Behandlung, die ihr das Leben gerettet habe, auch an anderen Patienten erfolgreich erprobt worden sei. Im Juli 2004 war aus den Vereinigten Staaten der erste Fall einer Tollwutübertragung von einem Organspender auf Empfänger gemeldet worden. Drei der vier infizierten Patienten starben an der Krankheit, der vierte bei Komplikationen während der Operation.