Umstrittener Kauf : Ein Euro für das Welfenschloss
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Renovierungsbedürftig: die Marienburg von Hannover Bild: dpa
Das Land Niedersachsen kauft dem Haus Hannover die renovierungsbedürftige Marienburg ab. Der Unmut ist wegen des finanziellen Risikos für die Steuerzahler und der suspekten Verkaufs-Konstruktion groß – nicht nur bei der Opposition.
Viereinhalb Jahre ist es her, dass auf der Marienburg eine ganz vorzügliche Welfenspeise gereicht wurde und Michael of Kent, Mitglied der britischen Königsfamilie, im Beisein von Ministerpräsident Stephan Weil einen für niedersächsische Verhältnisse beispiellos galanten Auftritt hinlegte.
Die Botschaft der einstigen Herrscher an die heutigen Herrscher damals war formvollendet, aber unmissverständlich: Die Welfen, das älteste Adelsgeschlecht Europas, das über jahrhundertelang in Niedersachsen herrschte und bis 1901 auch über das britische Empire, sind heute derart klamm, dass sie den Erhalt ihres 1867 fertiggestellten, neogotischen Schlosses südlich von Hannover nicht mehr ohne Hilfe des Staates leisten können.
Am Donnerstag präsentierten Erbprinz Ernst August von Hannover und Wissenschaftsminister Björn Thümler nach jahrelangen Verhandlungen nun eine radikale Lösung für das Gemäuer. In einem ungeheizten, bitterkalten Prunkraum der Marienburg verkündeten sie, dass das Welfenschloss für den symbolischen Preis von einem Euro in öffentliches Eigentum übergehen soll.
Wird Burgsanierung ein Fass ohne Boden?
Minister Thümler (CDU) sagte, durch dem Kauf werde „ein wichtiges Symbol der welfisch-niedersächsischen Geschichte“ gesichert und garantiert, dass dieses „Denkmal von nationaler Bedeutung“ weiter öffentlich zugänglich ist. „Alternative Nutzungen von Schloss und Inventar sollten vermieden werden.“
Der 35 Jahre alte Erbprinz, der sich – im Unterschied zu seinem gesundheitlich schwer angeschlagenen Vater, mit dem er seit Jahren überkreuz liegt – sehr um das Erbe der Welfen kümmert und jüngst sogar mit seiner Familie von London nach Hannover umsiedelte, sprach von einer „historischen Zäsur“ für das Haus Hannover. Über den Verkauf werde es in der Familie sicherlich „gemischte Meinungen“ geben, doch die Lage sei eindeutig: Trotz einiger Fortschritte bei der touristischen Nutzung überfordere der Erhalt der maroden Gemäuer „meine Möglichkeiten bei weitem“, erklärte der Erbprinz. In den vergangenen Jahren sei er mit seinen Bemühungen bereits „an die Grenze der finanziellen Möglichkeiten“ gegangen.
Die Einigung zwischen dem Haus Hannover und der Landesregierung, sieht nun vor, dass das Schloss nicht direkt an das Land verkauft wird, sondern an die „Liemak Immobilien GmbH“, eine Tochter der Klosterkammer Hannover. Durch diesen Umweg, über den in der Sonderbehörde Klosterkammer offenbar nicht nur Begeisterung herrscht, sollen komplizierte Regeln für Landesliegenschaften umgangen werden, erklärte Thümler. So könne man die Renovierung „flotter“ angehen.
In die Sanierung der Burg und, besonders vordringlich, des Hanges, auf dem sie erbaut wurde, wollen Bund und Land je zur Hälfte gut 27 Millionen Euro investieren. 2014 bezifferte ein Gutachten im Auftrag der Welfen den Sanierungsbedarf auf 20 Millionen Euro, was nach den Baukostensteigerungen der vergangenen Jahre heute den 27 Millionen entsprechen soll. Eine Garantie dafür, dass es damit finanziell getan ist, möchte Thümler nicht geben. Er habe keine Glaskugel und könne nicht garantieren, „dass das reicht“.
Opposition zweifelt Zahlungsunfähigkeit der Welfen an
Neben dem Kauf des Schlosses ist vorgesehen, dass das Land mit Unterstützung verschiedener Stiftungen den Welfen für zwei Millionen Euro etwa hundert besonders wertvolle Inventarstücke, vor allem Gemälde, abkauft. Das Geld möchte der Erbprinz zur Tilgung von Schulden nutzen, die im Zusammenhang mit der Marienburg entstanden sind. Der Rest des Inventars, insgesamt 1700 Stücke, soll in eine gemeinnützige Kunststiftung eingehen, in deren Stiftungsrat der Erbprinz den Vorsitz hat, aber auch das Land vertreten ist. Ernst August junior kündigte an, die Verbindung des Welfenhauses zur Marienburg und nach Hannover keinesfalls kappen zu wollen. Er wolle sich langfristig engagieren und auch weiter in Hannover leben. „Darauf können Sie sich verlassen.“
Einige Kilometer leineabwärts, im Landtag, erfährt die vorgelegte Einigung zwischen der rot-schwarzen Landesregierung und dem Haus Hannover nicht nur Zustimmung. Die FDP warnte vor einem „Kostenrisiko in Millionenhöhe“ für die Steuerzahler. Die Grünen sprachen von „Strohmanngeschäften mit der Klosterkammer“ und einem „royalen Abenteuer“ der Landesregierung. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Stefan Wenzel, hält auch „die Geschichte des verarmten Adelsgeschlechts“ für wenig glaubwürdig und forderte Informationen über die Vermögensverhältnisse der Welfen.
Unmut auch in den Regierungsfraktionen zu spüren
Denn über die Frage, wie hoch das Vermögen der Welfen im In- und Ausland tatsächlich ist und wer es kontrolliert, ranken sich Spekulationen. Minister Thümler sagte dazu, er habe bei den Welfen „keine Konteneinsicht vorgenommen“. „Die Zahlungsfähigkeit des Hauses Hannover“ sei aus Sicht des Landes auch „nicht die entscheidende Grundlage“. Es gehe um den Erhalt der Burg.
Doch nicht nur in der Opposition, sondern auch in den Regierungsfraktionen ist Unmut über die Vereinbarung spürbar. Das finanzielle Risiko, das Verhalten der Welfen in der Vergangenheit, der umstrittene historische Wert der Marienburg und die „wilde Konstruktion“ mit der Klosterkammer – all dies führt zu Fragen. Niedersachsen dürfte in den kommenden Monaten also wieder einmal intensiv über sein welfisches Erbe und dessen Zukunft debattieren.