Moscheebau in Deutschland : Kuppeln ohne Experimente
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Der Moscheebau in Deutschland bleibt traditionell Bild: ddp
In etwa 3000 Beträumen nehmen Muslime in Deutschland ihre religiösen Pflichten wahr. Über den Bau der Moscheen wird viel diskutiert, kaum aber über ihre Tradition.
Vor 50 Jahren setzte nicht nur die türkische Migration nach Deutschland ein. Damals begann auch der Islam - bis dahin ein marginales Phänomen - zu einer großen Religionsgemeinschaft in Deutschland zu werden; inzwischen ist er neben dem Christentum die zweitgrößte. Wenn sich der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nun aus Anlass des Jahrestags in Deutschland aufhält, befindet er sich in einem Land, in dem der Islam auch im Straßenbild längst präsent ist. In etwa 3000 Beträumen nehmen die Muslime ihre religiösen Pflichten wahr, und seit vielen Jahren entstehen Moscheen, über deren Bau teilweise heftig gestritten wird. Besonders viele Emotionen rief zuletzt das Projekt in Köln-Ehrenfeld hervor. Dort hat die türkisch-islamische Ditib als Bauherrin gerade die Zusammenarbeit mit dem Architekten Paul Böhm beendet - nach Angaben der türkischen Seite wegen Baufehlern, nach Angaben Böhms, weil man offenbar keinen modernen Bau mehr wolle.
Die Moschee ist ein Ort der religiösen Versammlung mit dem Zweck, dort das Gemeinschafts-Gebet (salat) zu verrichten, jedoch kein geweihtes Gotteshaus im Sinne einer Kirche. Große Moscheen heißen denn auch Cami (Dschami) - Platz, an dem man sich versammelt. Kleine Moscheen nennt man Mescit, wörtlich: Ort der Niederwerfung vor Gott. Das gemeinschaftliche Gebet der Muslime zählt zu den fünf Pfeilern des Islam, die obligatorisch sind. Es ist weniger ein Bittgebet als eine gemeinschaftliche Bezeugung der Demut des Geschöpfs vor der Allmacht Gottes ("Allahu akbar" - "Gott ist größer"), vor der sich der Gläubige verneigt und niederwirft. Besonders wichtig ist das Freitagsgebet, bei dem auch die "hutbe" gehalten wird, die Freitagspredigt. Dazu betritt der Prediger den Minbar, die oft kostbar verzierte Kanzel, häufig das einzige Einrichtungsstück in den Moscheen, die ansonsten nüchtern gehalten sind. Die Gebetsnische (mihrab) gibt die Richtung nach Mekka an, die Qibla. Die Moschee wie der Beter müssen im Zustand der Tahara, der Reinheit sein, Sauberkeit spielt deshalb eine wichtige Rolle. Dem Gebet geht die rituelle Waschung voraus.
Zwischen Innovation und Tradition
Die konservative bis traditionalistische Einstellung der meisten Muslime wird an der Architektur der Moscheen selbst deutlich. Selten werden Moschee-Neubauten nach Vorbildern und Prinzipien moderner Architektur gestaltet, sondern man verweilt beim Altbekannten. Nur in Ausnahmefällen gibt es in der Türkei, in Pakistan, Indonesien und einigen anderen Ländern Moscheen, an denen sich moderne Architekten etwas Neues einfallen ließen. Türkische Intellektuelle kritisieren immer wieder, dass man bei Neubauten dem ewig gleichen Muster der aus osmanischer Zeit stammenden Kuppelmoschee folge, dass es keine oder kaum bauliche Innovationen gebe. Auch in Deutschland, wo der türkische Islam überwiegt, folgen die meisten neuen Moscheen diesem alten Vorbild.
Man kann es den Türken kaum verdenken, gehören doch die berühmten Großkuppel-Moscheen, die man in Istanbul, Edirne, Kairo und anderen Zentren vormals osmanischer Herrschaft besichtigen kann, zum großartigen Erbe ihrer Kultur. Angeregt wurde ihr Stil übrigens auch durch die Hagia Sophia zu Konstantinopel, die Kirche zur Heiligen Weisheit mit ihrer großartigen Hauptkuppel, die trotz ihrer Weite und Tonnenlast zu schweben scheint. Vor allem der größte Baumeister der Osmanen, Sinan, den viele als den "osmanischen Bramante" bezeichnen, schuf mit seinen Großkuppel-Moscheen, wie der Süleymaniye in Istanbul oder der Selimiye in Edirne, im 16. Jahrhundert architektonisch eine geniale byzantinisch-osmanische Synthese. In Deutschland entstehen nun viele kleinere "osmanische" Moscheen. Und meistens fehlt es auch hier an Experimentierfreude - wie in der Türkei.