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Mythos Weihnachtsgeschichte : „Ochs und Esel sind Fake News“

  • -Aktualisiert am

Stall und Stern? Laut Religionswissenschaftlern ist die Geburt Jesu ganz anders verlaufen. Bild: Martin Ly

Sie ist uns ja so vertraut: die Krippe. Dabei haben viele Vorstellungen von der Geburt Jesu wenig mit dem zu tun, was in der Bibel steht. Zwei Wissenschaftler erklären.

          6 Min.

          Frau Prof. Paganini, Herr Prof. Paganini, Sie beide beschäftigen sich wissenschaftlich mit der Weihnachtsgeschichte. Haben Sie selbst eine Weihnachtskrippe?

          Kim Maurus
          Volontärin.


          Claudia Paganini: Ja, wir haben ein schönes altes Modell von einem Tiroler Künstler. Aber sie steht leider in einem Kasten, weil wir junge Katzen haben, die mit der Krippe kurzen Prozess machen würden.

          Simone Paganini: Und natürlich, obwohl man weiß, dass Ochs und Esel nicht dabei waren, haben wir beide.

          Wie kommen Sie darauf, dass diese Tiere gar nicht dabei waren?

          Simone Paganini: Wir haben zwei Erzählungen von der Geburt Jesu im Lukas- und im Matthäus-Evangelium. Darin finden Sie Ochs und Esel nicht.

          Claudia Paganini: Und es gab damals gar keine Ochsen. Im alten Israel war es nicht erlaubt, männliche Tiere zu kastrieren. Wenn, hätte da höchsten Stier oder Esel stehen können.

          Wieso gehen wir dann heute davon aus?

          Simone Paganini: Das hat mit Übersetzungsproblemen zu tun und Anlehnungen an andere Stellen in der Bibel. Im Buch des Propheten Habakuk heißt es im hebräischen Original, der Messias soll zwischen „zwei verschiedenen Zeitaltern“ kommen. Dann wurde das Buch ins Griechische übersetzt, „Zeitalter“ und „Tiere“ werden hier fast gleich geschrieben. Als der Text dann ins Lateinische übertragen wurde, ist wahrscheinlich ein Fehler passiert und aus den Zeitaltern wurden Tiere mit der Folge, dass Jesus nun also zwischen zwei Tieren geboren werden musste. Dazu kommt noch eine weitere Stelle, das 14. Kapitel des Buches Jesaja, wo Gott zum Volk Israel sagt: „Du verstehst nichts von deinem Gott, aber Ochs und Esel sehr wohl“. Das waren zwei Tiere, die als Sinnbild der damaligen Gesellschaft galten. Außerdem soll Jesus in einem Stall geboren sein. Natürlich kommen einem dann ein Ochs und ein Esel in den Sinn. Aber der biblische Text zur Geburt Jesu gibt das nicht her, Ochs und Esel sind Fake News.

          Wofür standen Ochs und Esel, wenn sie ein Sinnbild sind?

          Simone Paganini: In der Tradition, in der das arme Jesuskind in einer kalten Nacht geboren worden sein soll, funktionieren die Tiere ganz banal als Heizkörper. Es waren die klassischen Kulturtiere der damaligen Zeit, allerdings nicht aus jüdischer Perspektive. Die Evangelien sind aber auch nicht für fromme Juden geschrieben. Natürlich ist Jesus ein kleines jüdisches Kind, das in Judäa geboren wurde, aber Ochs und Esel waren da nicht gerade heimisch, es gab mehr Kleinvieh wie Ziege und Schafe. Ochs und Esel waren Teil der griechischen Kultur, wie die Menschen, die die Texte gelesen haben.

          Sie widmen der Weihnachtsgeschichte auch ein ganzes Buch, „Von wegen Heilige Weihnachten“. Es ist eine Art Faktencheck, was bei der Geburt Jesus wirklich passiert ist. Was war die Idee dahinter?

          Simone Paganini: Viele kaufen das, was in der Bibel steht oder da vermeintlich steht, einfach ab, ohne Fragen zu stellen. Weihnachten ist ein zentraler Aspekt, an dem wir zeigen wollten: Das ist ein literarisches Werk, historisch gibt es an dieser Erzählung kaum etwas Haltbares, außer dass ein Kind geboren wird. Wir wollten erklären, wie bestimmte Traditionen entstanden sind. Es war nicht der Versuch, Glaube zu zerstören oder Traditionen ungültig zu machen. Denn auch wenn vieles bei der Geburt Jesu nicht so abgelaufen ist, wie wir uns das vorstellen, bleibt die Botschaft doch erhalten: Der Glaube daran, dass ein Kind als Sohn Gottes geboren wurde.

          Claudia Paganini ist Theologin und Philosophin und lehrt in München, ihr ­Ehemann Simone Paganini Theologe und lehrt in Aachen.
          Claudia Paganini ist Theologin und Philosophin und lehrt in München, ihr ­Ehemann Simone Paganini Theologe und lehrt in Aachen. : Bild: privat

          Sie schreiben, Maria hat das Kind wahrscheinlich in einem ganz normalen Haus geboren.

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