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Ex-Nationalspielerin Prinz : In der Nachspielzeit

  • -Aktualisiert am

Ohne Gram: Vor vier Jahren erklärte Birgit Prinz ihren Rücktritt. Bild: Wonge Bergmann

Heute Nacht treten die Fußballfrauen gegen die Vereinigten Staaten an – Birgit Prinz schaut aus ihrem neuen Leben zu. Die Frauenfußball-Legende teilt nach ihrer Karriere ihre Erfahrungen mit dem Nachwuchs.

          3 Min.

          Birgit Prinz lebte immer von ihrer Dynamik, ihrer Präsenz, ihrer Willensstärke. Die deutsche Rekordnationalspielerin überbrückte mit ihrer physischen Kraft die Räume auf dem Spielfeld. Ihre Schussstärke war bei den Gegnerinnen gefürchtet – auch bei den Amerikanerinnen, gegen die das deutsche Frauenfußball-Nationalteam in der Nacht zum Mittwoch spielt.

          Daniel Meuren
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Doch dieses Mal ist Birgit Prinz, die 2003 beim 3:0-Sieg in einem solchen Halbfinale das bislang letzte Tor in einem Duell der beiden Weltklasse-Teams in einem WM-Spiel erzielt hat, nicht mehr dabei. Erstmals seit 1991 findet das Turnier ohne sie statt.

          Heute sind viele kleine Räume ihr Spielfeld. In einem stehen Fitnessgeräte, an denen junge Talente der TSG Hoffenheim ihre Muskeln stärken. In einem anderen steht ein Dreh-Kicker, zum Zeitvertreib. In einem weiteren werden Hausaufgaben unter Betreuung erledigt. Und in einem Zimmer mit einem Bett, das gelegentlich von Jugendlichen zum Übernachten genutzt wird, spricht die Diplompsychologin über ihre Arbeit. „Mein Leben ist ruhiger geworden“, sagt sie.

          Einblicke in das Seelenleben

          Bis vor wenigen Jahren war Birgit Prinz das Synonym für deutschen Frauenfußball. Dreimal in Serie war sie zur Weltfußballerin gekürt worden. Neunmal nacheinander gewann sie die Wahl zu Deutschlands Fußballerin des Jahres, sie erzielte meist die entscheidenden Tore auf dem Weg zu zwei WM- und sechs Europameisterschaftserfolgen.

          Die Karriere endete freilich mit einer Enttäuschung. Bei der Heim-WM vor vier Jahren wurde sie in der zweiten Vorrundenbegegnung gegen Frankreich nach 52 Minuten ausgewechselt und kehrte nie mehr auf die große Bühne zurück. Das Bild der Auswechslung blieb hängen, weil Birgit Prinz beim obligatorischen Abklatschen mit der Bundestrainerin dieser fast die Hand zu brechen schien.

          Ihr Abgang rief Aufsehen hervor, weil die heute 38 Jahre alte Torjägerin in einer Pressekonferenz einen Einblick in ihr angegriffenes Seelenleben gestattete. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisierte sie nach dem Ausscheiden gegen Japan dann die Bundestrainerin.

          „Ich habe nicht aktiv im Fußball gesucht.“

          Vier Jahre später gibt es die deutsche Rekordhalterin in fast allen denkbaren Rubriken des Frauenfußballs als öffentliche Person so gut wie gar nicht mehr. Gelegentlich sieht man sie bei Spielen der TSG Hoffenheim oder ihres ehemaligen Klubs FFC Frankfurt als Zuschauerin. „Ich musste es nie haben, dass die Leute über mich reden“, sagt sie. Also ist Birgit Prinz auch keine Fernsehexpertin geworden oder gar – wie viele ehemalige Mitspielerinnen – beim DFB untergekommen.

          Stattdessen hat sie ihren eigenen Weg gesucht. Anfangs versuchte sie sich am Aufbau eines eigenen Projekts, schließlich ließ sie sich von der Aktion „Anpfiff fürs Leben“ der TSG Hoffenheim überzeugen. „Ich habe nicht aktiv im Fußball gesucht. Aber hier fühle ich mich an der richtigen Stelle.“ Sie begleitet männliche und weibliche Talente und Trainer auf ihrem Weg. „Wir wollen ihnen eine mentale Ausbildung mitgeben“, sagt sie. „Wir wollen Techniken vermitteln, wie man mit Stresssituationen umgehen kann.“

          Spiel verloren – Psychologe ausgewechselt

          Meistens hat sie solche sportlichen Notlagen auf dem Feld einfach mit einem Tor gemeistert. 128 Treffer hat sie in 214 Länderspielen erzielt. Doch zum Ende ihrer Laufbahn musste auch Birgit Prinz die Erfahrung machen, wie schlecht sich Fußball bei anhaltender Ladehemmung anfühlt. Bei der WM 2011 wurde sie zum Sinnbild einer im Kopf blockierten deutschen Elf.

          Bundestrainerin Silvia Neid hatte zwar eigens einen Sportpsychologen für das Umfeld des Teams angeheuert, aber die Zusammenarbeit war nicht von Erfolg gekrönt. Der Titel ging verloren, der Psychologe wurde ausgewechselt. Und Birgit Prinz hat ihre Lehren gezogen. „Mir geht es nicht um Selbsttherapie. Ohne meinen Weg würde ich die Arbeit aber sicher anders sehen. Ich bin zum Beispiel früher nicht darauf vorbereitet worden, Birgit Prinz zu sein.“ So wusste sie nicht so recht, wie sie die immer gleichen Fragen nach drei Toren beantworten sollte – und erst recht nicht jene nach 90 Minuten ohne Treffer.

          Das Leben außerhalb des Fußballs

          In Hoffenheim will sie nun heranwachsenden Talenten vergleichbare Situationen erleichtern. „Meine Vergangenheit gibt mir Glaubwürdigkeit. Die meisten fragen mich auch irgendwann: ‚Hast du wirklich mal neben Messi bei der Weltfußballerwahl gestanden?‘ Aber ich lasse mich nicht darauf reduzieren. Es reicht nicht, zu sagen: Ich habe das so und so gemacht. Ich muss aus meinen Erfahrungen Wege zeigen, die gangbar sind.“

          Für sich selbst hat Birgit Prinz, die nach wie vor in Frankfurt lebt, einen Weg gefunden, der schnurstracks aus der Öffentlichkeit heraus in ein neues Leben führte. „Ich wollte nie mein Leben mit den Medien teilen. Mich hat als Spielerin immer gestört, dass der Fokus fast ausschließlich auf mir lag. Das Interesse hat sich fast darauf beschränkt, ob Birgit Prinz ein Tor schießt.“

          In St. Leon-Rot wie auch bei einer Mitarbeit an einer Hamburger Langzeitstudie zu den mentalen und körperlichen Folgen von Spitzensport zählt nun nicht der Titelgewinn. Die meisten Talente bei „Anpfiff ins Leben“ werden es nicht so weit bringen wie Birgit Prinz. „Der Mensch ist bei unserer Arbeit entscheidend, nicht der Fußball“, sagt die Psychologin. „Wer hier bei uns in der Jugend spielt, der soll etwas mitnehmen aus dieser Zeit.“ Dann schaffen die Talente auch den Sprung in ein Leben außerhalb des Spielfelds.

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