„Ich habe mich dumm gefühlt“
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Jutta Stahl, Professorin für Psychologie an der Uni Köln: „Ich fürchtete mich vor den Kollegen, die mit mir diskutieren wollten. Ich dachte, ich forsche nicht gut genug.“ Bild: Stefan Finger
Noch immer wagen sich viel zu wenige Arbeiterkinder an die Uni. Das liegt nicht nur an den Umständen, sondern auch an ihnen selbst.
Jutta Stahl kann sich noch gut an jene wissenschaftliche Konferenz zum Thema „Neurowissenschaftliche Methodik“ erinnern, die ihr vor Augen führte, dass sie anders war. Wie auf solchen Konferenzen üblich, durfte sie ihre Forschungsergebnisse an einer Stellwand präsentieren. „Da standen wir also in einer Reihe, die anderen Wissenschaftler, die auch an irgendwelchen Doktorarbeiten arbeiteten und eigene Stellwände hatten, und dazwischen ich“, erinnert sie sich. Doch während viele der anderen Doktoranden sich ganz selbstbewusst aufgebaut hätten und vorbeischlendernde Professorinnen und Professoren ansprachen, habe sie selbst sich hinter ihrer Stellwand versteckt. „Ich fürchtete mich vor den Kollegen, die mit mir diskutieren wollten. Ich dachte, ich forsche nicht gut genug.“
Auch Miriam Schwarz hat einschlägige Erfahrungen in dieser Richtung gemacht. Als sie nach ihrer Promotion im Fach Molekularwissenschaften und einem Forschungsaufenthalt in Stanford eine Weiterbildung zur Patentanwältin in einer Londoner Kanzlei machte, traf sie dort auf einen jungen Juristen, der in München die gleiche Weiterbildung wie sie machte und nun für drei Monate in London hospitieren wollte. „Er kam rein und hatte eine ganz andere Präsenz als ich: Wie er gesprochen hat und wie er gestikuliert hat, das hat mich eingeschüchtert, ich habe mich dumm gefühlt und dachte, er sei besser als ich“, erzählt sie und klingt immer noch ein bisschen fassungslos. Dann sei sie aber eines Mittags mit ihm essen gegangen und habe erfahren, dass sein Vater eine Anwaltskanzlei hatte, „und da habe ich plötzlich verstanden, dass er aufgewachsen war mit dieser Art zu gestikulieren und zu sprechen“.
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