Frauen heiraten sich selbst : Ich will! Mich!
- -Aktualisiert am
Heiraten? Geht auch ohne einen Partner Bild: Picture-Alliance
Selbst ist die Braut: Immer mehr Menschen heiraten sich selbst, besonders viele Frauen. Sie lösen sich so selbständig vom Stigma der Alleingelassenen.
Einmal in Weiß feierlich zum Altar schreiten – davon träumen noch immer viele Frauen. In Zeiten karrierebedingter Unabhängigkeit, inflationärer Tinderdates und des nicht unerheblichen Bindungsunwillens ist die Hochzeit mancher Frau jedoch in weite Ferne gerückt: Was, wenn man zu den selbst gesteckten Bedingungen keinen Partner findet? Für dieses Dilemma hat sich nun eine Lösung gefunden: Die Frauen heiraten sich einfach selbst.
Das Ritual ist nahezu dasselbe wie bei herkömmlichen Hochzeiten: Es können Gäste geladen, rosafarben verzierte Sahnetorte serviert und langatmige Reden geschwungen werden. Nur dass die Braut, im Idealfall gar vom Vater hingeführt, allein vor dem Traualtar steht – und die Ehe weder staatlich noch kirchlich anerkannt ist. Die Zeremonie wird in der Regel von einer Person angeleitet, die eine Rede hält und das Ritual der Fragestellung und des Ringüberreichens koordiniert. In einigen Zeremonien wird der Braut zuvor noch eine ruhige Minute in einem Raum mit Spiegel gegeben – so kann sie sich selbst ewige Treue schwören. Das nicht religiöse Ritual können freilich auch Männer durchlaufen. Derzeit erfreut es sich jedoch primär bei Frauen großer Beliebtheit.
Der Trend der „Sologamie“ besteht in den Vereinigten Staaten schon länger. Dort gibt es Veranstalter, die sich auf die Selbst-Heirat spezialisiert haben. Auf der Website von Dominique, die sich selbst den Titel „Self-Marriage Minister and Counselor“ (Selbstheirats-Geistliche und Beraterin) verliehen hat, bietet die studierte Kulturanthropologin ihre Dienste an. Nach einem sechsmonatigen Selbstfindungstrip durch Indien hat sie sich selbst geheiratet – und beschlossen, dieses befreiende Ritual auch anderen Menschen zu ermöglichen. Dominique – und viele andere Verfechter der Selbstheirat – meinen: Das Konzept der Sologamie fußt auf der Idee der reinen Selbstliebe. Und die hat therapeutische Heilkräfte. Gegner meinen hingegen, es sei Ausdruck des überbordenden Narzissmus einer ohnehin schon von Egozentrikern terrorisierten, bindungsgestörten Generation.
Hochzeit vs. Karriere
Eine andere Ausprägung der Selbstheirat findet sich in Japan. Dort gelten unverheiratete Frauen noch immer nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Für umgerechnet zwei- bis dreitausend Euro lassen sich japanische Frauen professionell mit sich selbst verheiraten. Dafür gibt es den passenden Dress, das passende Setting und – besonders wichtig – die passenden Hochglanz-Bilder. Sollten die Bilder einer vom Glück geküssten Braut allein nicht ausreichen, stellen einige Heirats-Services auch gerne noch den passenden Fake-Gatten mit ins Bild. Die Fotos bekommt die Braut dann anschließend ganz romantisch auf einem USB-Stick. Für gute und schlechte Tage.
Die Scharade hat einen ernsten Hintergrund, ist die Heirat doch für viele traditionelle Japaner noch immer unumgänglicher Ritus, dem junge und vor allem nicht mehr ganz so junge Frauen nachzugehen haben. Ist die Ehe dann einmal geschlossen, hört für viele Japanerinnen gleichsam ihr altes Leben auf: Küche und Kinder sind die neu zu erschließenden Lebensräume der frisch verheirateten japanischen Durchschnittsfrau – Karriere ade. Dem entgehen viele Frauen durch die Inszenierung der eigenen Heirat. So sind sie nicht weiter der sozialen Erniedrigung des Unverheirateten-Daseins ausgesetzt, können aber zugleich weiter ihrer Karriere nachgehen.
Der Unabhängigkeit das Ja-Wort geben
Der Trend der Selbstheirat ist nun auch in Europa angekommen. Allerdings ist hier wieder der amerikanische Aspekt der „Self-Love“ der ausschlaggebende Motivator: Die Body-Positivity-Bewegung boomt, Frauen tauschen sich über Selbstachtung und Selbstliebe aus – da kommt eine Selbstheirat doch gerade gelegen.
Da ist die Britin, die über den „schlimmsten Liebeskummer ihres Lebens“ hinweggekommen ist – und sich als Belohnung selbst geheiratet hat. Mit einer großen Party, einem festlich gekleideten Brautvater, der seine Tochter feierlich zum Altar führt.
Allerdings stellt sich auch hier die Frage nach dem sozialen Zwang. Werden Single-Frauen in einem gewissen Alter noch immer als alte Jungfer abgestempelt? Oder geht es den Solo-Bräuten nur darum, einmal alle Blicke auf sich zu vereinen, während sie feierlich in reinweißen Rüschen daher schreiten? Pocht in Frauenherzen noch immer der verstaubte Wunsch nach einer Traumhochzeit?
Ob die Selbstheirat wirklich zu mehr Selbstwertschätzung führt, ist fraglich. In jedem Fall führt sie jedoch zu einer Emanzipation von der gesellschaftlichen Norm: Die, die sonst ausgestoßen waren, machen sich einen Brauch zu eigen, der ihnen als Alleinstehenden eigentlich verwehrt bleibt. Damit lösen sie sich selbständig vom Stigma der Alleingelassenen. So geben sie zumindest der Unabhängigkeit ihr Ja-Wort.