Volksmusikant Heino im Gespräch : „Ich bin hart wie Kruppstahl“
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Mit 74 Jahren sei er immer noch zäh wie Leder und flink wie ein Windhund, sagt Heino Bild: dpa
Der Volksmusikant Heino ist mit 50 Millionen verkauften Tonträgern einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Musiker. Im Interview spricht er über Neid, Krieg und seine stahlharte Fitness.
Guten Tag, Heino. Denken Sie noch manchmal an den „Enzian“?
Ach, der „Enzian“ hat mich so berühmt gemacht, den kann ich gar nicht vergessen!
Aber jetzt sind Sie Volksrocker und covern die Ärzte und Rammstein. Ist das neue Leben wie eine neue Liebe?
Nö, ist ja nicht neu, sondern erweitert. Meine neuen Lieder sind die Volkslieder der jungen Generation. 1965 habe ich angefangen mit Sachen wie „Wenn die bunten Fahnen wehen“ und „Wir lieben die Stürme“ - das waren Lieder aus der Bündischen Jugend. Und die Bündische Jugend, das waren die Rocker der Jahrhundertwende.
Tragen Sie denn jetzt gerade, wo wir telefonieren, auch Ihre neue Lederjacke, oder ist die nur für die Kameras? Seien Sie ehrlich.
Meine Lederjacke habe ich schon 1965 getragen! Schwarze Hose, schwarze Lederjacke und Rollkragenpullover. So kannte man mich. Neu ist der Totenkopfring, ein Geschenk meiner Frau Hannelore, den ich jetzt an der rechten Hand trage. Aber ansonsten bin ich der alte Rocker-Heino, genau wie im volkstümlichen Bereich. Ich mache ja hier nicht auf cool und bestell mir ’ne Flasche Jack Daniels und schlag da ein Hotelzimmer kaputt, das mach ich nicht.
Haben Sie das auch früher nie, als junger Rocker-Heino? Sie sangen ja damals immerhin: „Karamba, Karacho, ein Whiskey / Karamba, Karacho, ein Gin“ - Rock-’n’-Roll-Lifestyle!
Im Gegenteil. Bei ’ner Party, die ist aber schon fast fünfzig Jahre her, war die Gruppe Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich, und die haben ein Hotel zerlegt.
Ist ja schrecklich.
Ja, allerdings. Ich bin dann ja auch da ausgezogen aus dem Hotel. Da konnte man gar nicht schlafen. Bei den Rockern ist aber auch viel reine Attitüde.
Ja?
Das habe ich gemerkt bei dem neuen Album. Wir wollten Werbung schalten und brauchten dafür - anders als fürs Covern - die Genehmigung der Leute, die das Lied geschrieben haben. Da haben sie alle kategorisch abgelehnt, zum Teil sehr bösartig. Mit Worten, die ich jetzt einer Frau gar nicht sagen möchte. Die Jungs singen und sprechen immer von Respekt - dann sollen sie sich auch daran halten.
Fühlen Sie sich gekränkt?
Nein, es ist mir egal. Ich bin 74. Sie kennen ja das Sprichwort: Was stört es eine alte Eiche, wenn sich die Sau dran kratzt.
Die anderen verdienen ja auch Geld durch Ihre Coverversionen.
Klar, die haben die Verlagsrechte, die haben die Kompositionsrechte, die haben die Textrechte, und jetzt kriegen sie mal ein schönes Pfund. Die sollen schön ruhig sein, den Mund halten. Und wenn sie das alles nicht wollen: Es gibt Krankenhäuser, Kinderheime, Altenheime, wohin man spenden kann. Oder mir geben. Ich verteil das schon.
Jetzt klingen Sie wütend.
Ach, das ist mir wurscht. Wissen Sie, ich habe angefangen in der Blütezeit des Beats, bei einer englischen Firma, wo auch die Beatles unter Vertrag waren. Die haben mir nach einem Jahr einen Zehn-Jahres-Vertrag angeboten. Ich habe bis heute fünfzig Millionen Tonträger verkauft. Wenn mich heute einer aus der Musikszene belächelt, kann ich nur zurücklächeln. Die müssen erst mal verkaufen. Und das ist ja nicht so einfach.
Glaub ich.
Das ist der Neid. Den muss man sich erarbeiten, und ich habe eben kräftig dran gearbeitet.
Sind die auch neidisch auf Ihre guten Songs, auf den „Enzian“?
Weiß ich nicht. Allerdings: Die Lieder von Rammstein und wie sie alle heißen bewegen sich maximal in einer Oktave. Der „Enzian“ bewegte sich in drei Oktaven. Oder wenn ich Schubert, Bach, Tschaikowsky, Mozart singe - das ist eine andere Kategorie als ein Lied aus der jetzigen Generation. An diesen neuen Liedern freut mich, dass ich Menschen damit erfreuen kann, auch die junge Generation. Ich bin vorgestern mit meinem Manager über die Autobahn gefahren, und da kamen vier junge Leute an uns vorbeigefahren, hielten den Daumen hoch und winkten. Das sind doch Sachen, wo ein Vierundsiebzigjähriger sich freut! Die könnten ja auch sagen: Was will der Opa noch?
Aber nicht, dass Ihre treuen Fans aus den Sechzigern enttäuscht sind, weil Sie jetzt Sachen mit nur einer Oktave singen.
Im Gegenteil. Zum einen hatte ich auch vor dem neuen Album schon mehr junge Fans, als die Medien immer schreiben. Und zum anderen sind die Älteren jetzt doch froh. Die sagen: Seht ihr, das kann unser Heino auch! Die Fans sind auch oft - so wie ich - belächelt worden: Du mit deinem Heino, du mit deinem Heino! Jetzt müssen sich die anderen schämen. Eine Bekannte von mir arbeitet bei einer großen Firma mit vielen Frauen. Da war die natürlich immer so ein bisschen gehänselt worden. Und als jetzt die Platte rauskam, kamen alle und fragten: Kannst du mir ’ne Platte vom Heino besorgen? Die Bekannte geht jetzt erhobenen Hauptes durch die Firma.
Wollen Sie nicht mal den Rockern und Poppern aus der jungen Generation musikalische Nachhilfe geben?
Ich glaube, die interessiert das gar nicht. Die interessiert nur, was sie gemacht haben, das ist das Nonplusultra. Da gibt es eine Gruppe, Oomph!, die hat verlauten lassen in den Medien, sie könne mein völkisches Liedgut nicht ertragen. Der Sänger führt ein Lied an: „Es steht ein Soldat am Wolgastrand“. Wenn ich so was schon höre! Das kommt aus einer Operette von Franz Lehár, 1927 aufgeführt, und der Soldat am Strand ist ein Russe.
Hm.
Die Leute müssen mal musikalischen Geschichtsunterricht nehmen, dann wissen die, wo die Lieder herkommen. Und die Bündischen Lieder kommen aus einer Zeit, als die jungen Leute mit dem System nicht zufrieden waren. Das waren deren Protestlieder. Wenn jetzt ein Krieg ausbrechen würde - Gott beschütze uns davor -, was würden die Soldaten dann singen? Die würden Rammstein singen!
Machen Sie demnächst noch ein neues Album? Vielleicht mit Bushido-Texten: „Ab jetzt heißt es Hardcore, du Opfer“.
Wenn ich jetzt umfalle und bin tot, dann ist es das letzte Album gewesen. Das weiß man nicht. Aber noch bin ich ja hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wie ein Windhund.
Schwarzbraun ist die Haselnuss.
Die Fragen stellte Friederike Haupt.