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Elterntrainerin im Interview : „Bullerbü ist möglich“

Eltern werden täglich auf harte Proben gestellt und müssen dann entscheiden: Schrei ich mit, oder bleib ich ruhig? Bild: ©Elliott Erwitt/Magnum Photos

Echt jetzt, noch ein Elternratgeber? Ja, sagt Uta Allgaier und verrät im Interview, wie Erziehung und Familienleben klappen können. Und was bei ihren eigenen Kindern alles schief gelaufen ist.

          6 Min.

          Frau Allgaier, Sie sind ausgebildete Elterntrainerin und haben mit der „Fibel der Gelassenheit“ Ihren zweiten Erziehungsratgeber vorgelegt. Dabei herrscht auf dem Buchmarkt nicht gerade ein Mangel an einschlägiger pädagogischer Literatur. Warum also noch ein Buch?

          Ursula Kals
          Redakteurin in der Wirtschaft, zuständig für „Jugend schreibt“.

          Ich habe schon Ratgeber gelesen, als ich unser erstes Kind stillte. Wie eine Buchstütze lag unser Sohn auf meinem Schoß, und ich habe ein pädagogisches Werk nach dem anderen verschlungen. Als der Sohn größer wurde, habe ich aber gemerkt, dass in der Praxis viele Tipps nicht umsetzbar sind. Das wollte ich besser, alltagstauglicher machen.

          Bei der Lektüre der Fibel fällt angenehm auf, dass Sie Ihre Kinder so lieben, wie sie sind, und nicht, wie sie vielleicht sein sollten.

          Das ist ein entscheidender Punkt. Kinder sind ein Geschenk. Man hört so oft, sie seien eine Last, das finde ich traurig. Und Mutter- und Vater-Sein ist auch ein Geschenk. Dieses Sein gerät immer mehr unter die Räder der postulierten „Vereinbarkeit“ von Beruf und Familie.

          Warum setzen sich Eltern so unter Druck, haben diesen Perfektionsdrang?

          Die Anforderungen sind in allen Lebensbereichen hoch. Um sie zu bewältigen, setzen wir auf Kontrolle. Kinder widersetzen sich zum Glück, wenn sie einfach nur für uns funktionieren sollen. Mal ein Eis essen vor dem Mittagessen? Ja, davon geht die Welt nicht unter. Mal schludern bei den Hausaufgaben, weil der Freund schon mit dem Fußball in der Tür steht? Ja, unbedingt. Und wenn abends die elterliche To-do-Liste nicht komplett abgearbeitet ist, können wir darüber lachen.

          Viele Erziehungsratgeber sind auch deshalb so öde, weil sie für jedes Problem eine Lösung nach Schema F propagieren. Sie aber sagen ausdrücklich, Sie wollten nicht durchbuchstabieren, wie man Kinder in den Griff bekommt. Sie probieren jeden Tag neu aus, was funktioniert und was nicht, setzen mal auf Nähe, mal auf Durchsetzungskraft. Das klingt theoretisch gut. Wie geht das praktisch?

          Entscheidend ist die Verbindung. Im Kern geht es um die Liebe zum Kind und zu sich selbst und nicht um Tipps und Tricks. Mein Blog „Wer ist dran mit Katzenklo?“ ist, so gesehen, auch eine Verarbeitungsplattform meines eigenen Ringens darum, dass Familienleben gelingt und man sich zusammen weiterentwickelt.

          Uta Allgaier ist Elterntrainerin und Online-Coach. Erziehung und Familie ist auch das Thema ihres Blogs „Wer ist eigentlich dran mit Katzenklo?“.
          Uta Allgaier ist Elterntrainerin und Online-Coach. Erziehung und Familie ist auch das Thema ihres Blogs „Wer ist eigentlich dran mit Katzenklo?“. : Bild: Stefanie Zillessen

          Eines Ihrer Kernthemen ist Bindung. Also von Anfang an, eine stabile Bindung aufzubauen.

          Streicheln, kuscheln, kitzeln – von all dem kann es gar nicht genug geben für Kinder. Ich sehe so oft in der Öffentlichkeit auch recht kleine Kinder unverbunden dicht neben Erwachsenen herlaufen und denke: „Warum nehmt ihr sie nicht an die Hand?“ Körperliche Nähe ist unverzichtbar für den Aufbau von Bindung. Und Zeit. Gelassen mit Kindern umgehen zu können, dazu gehört auch, dass man mal im Hier und Jetzt sein kann, mal keine Termine hat. Kinder gehen völlig in dem auf, was sie tun. Das sind so kostbare Momente. In Ruhe Zeit miteinander verbringen, das halte ich für wichtiger, als den zehnten Frühförder-Input zu geben.

          In einer Krippe ist das aber bei dem üblichen Personalschlüssel kaum leistbar.

          Ein schwieriges Thema. Ich mache keinen Hehl daraus, skeptisch zu sein, ganz kleine Kinder ganztags in die Krippe zu geben. Auch glaube ich nicht an die vielzitierte Quality time, das halte ich für Augenwischerei. Es braucht Zeit, um eine Tiefe zu erreichen, um eine stabile Verbindung zum Kind zu entwickeln.

          Dazu gehören gemeinsame Mahlzeiten.

          Das klingt so banal, aber wenigstens einmal am Tag eine gemeinsame Mahlzeit ist in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen. Es gibt Untersuchungen, dass sich dann sogar die Schulnoten verbessern. Mit dem Argument können wir vielleicht Eltern ködern, oder?

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