CSU-Feindbild : „Den müssen wir unbedingt hier behalten“
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In Deutschland angekommen: Adolphe Diop in seiner Funktion als Fußballtrainer Bild: Heiko Rhode
Fußballspieler, Ministrant, Senegalese: Adolphe Diop erfüllt das neue Feindbild des CSU-Politikers Andreas Scheuer. Im Interview verrät Diop, wie der Sport ihn in die neue Heimat führte.
Herr Diop, kennen Sie Andreas Scheuer persönlich?
Nein, persönlich nicht (lacht). Nur übers Fernsehen.
Der CSU-Generalsekretär hat vor ein paar Tagen ein paar Sätze gesagt, die für einigen Wirbel gesorgt haben: „Entschuldigen’s die Sprache. Aber das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist Wirtschaftsflüchtling.“ Fußballspieler, Ministrant, Senegal: Man könnte fast meinen, er hätte über Sie gesprochen.
Am liebsten würde ich die Aussage dieses Herrn ignorieren, um sie nicht aufzuwerten. Aber es ist so unsachgemäß, dass man es nicht einfach stehen lassen kann. Indem er so etwas als Politiker einer Partei mit christlichen Wurzeln sagt, schadet er nicht nur sich selbst, sondern auch der CSU und auch Deutschland. Vorher hatte ich gewisse Sympathien für ihn, aber nach dieser Aussage sind sie weg. Ich bin sehr froh, dass einige CSU-Mitglieder mit seinen Sätzen nicht einverstanden sind.
Sie sind 1992 im Alter von 24 Jahren nach Deutschland gekommen. Warum gerade hierher?
Mein Leben im Senegal hatte ich dem Fußball gewidmet. Zwischen meiner Heimatstadt Thiès und Solingen bestand eine Partnerschaft. Ein Freund von mir, ein Priester, kannte den Vorsitzenden des Vereins Union Solingen, der früher mal in der Zweiten Liga gespielt hatte und später in der Oberliga. Ich machte dort ein Probetraining, und danach hieß es: Den müssen wir unbedingt hier behalten. Für uns ist er eigentlich zu gut, aber wenn wir es nicht tun, wird er irgendwo anders landen. So ist das entstanden. Keine Ahnung, ob man mich vor diesem Hintergrund als Wirtschaftsflüchtling bezeichnen kann.
Wie haben Sie Deutschland in den ersten Jahren erlebt?
Ich habe gedacht: Diese Sprache werde ich nie sprechen können. Im Senegal sprechen wir amtlich Französisch, das als romanische Sprache mit dem Deutschen nicht viel gemeinsam hat. Aber ich war sehr motiviert. Wenn Leute, die hierherkommen, unterstützt werden, dann können sie vieles schaffen. Und Deutschland ist ein wunderbares Land, das vielen Menschen, die anfangs nicht hierhergehören, die Möglichkeit bietet, sich zu entfalten. Das muss einmal gesagt werden.
Entfaltet haben Sie sich in der Tat. Als Fußballtrainer betreiben Sie heute in Bad Soden eine Fußball-Akademie.
Darauf bin ich sehr stolz. Wegen eines Knorpelschadens im Knie musste ich meine Fußballkarriere beenden, aber ich habe meine Zukunft in die eigene Hand genommen, mit Unterstützung einiger Deutscher, die an mein Potential geglaubt haben. Alles, was ich erreicht habe, kam über den Fußball. Erst hier in Deutschland habe ich erfahren, was Asyl bedeutet. Ich rege mich auf, wenn gutausgebildete Leute aus dem Senegal, statt dort etwas aufzubauen, mit unrealistischen Träumen nach Deutschland kommen – und dann merken: Sie wären besser zu Hause geblieben. Trotzdem sind diese Leute für Deutschland ein großes Potential, sie können das Land voranbringen.
Sie wollten ursprünglich Priester werden und sind im Senegal Messdiener gewesen. Ist das nicht exotisch in einem Land, das zu 95 Prozent muslimisch ist?
Wir Senegalesen sind sehr tolerant. Bürgerkriege aus religiösen Gründen wird es im Senegal nie geben. In manchen Familien gibt es Muslime, Christen und Atheisten. Unser erster Präsident nach der Unabhängigkeit zum Beispiel, der große Dichter Léopold Sédar Senghor, ist als Vertreter der christlichen Minderheit über 20 Jahre immer wieder von der muslimischen Mehrheit demokratisch gewählt worden, obwohl es muslimische Gegenkandidaten gab.
Da treffen Sie sich also doch mit Scheuer: Aus dem Senegal als sicherem Herkunftsland muss niemand fliehen.
Ganz so sehe ich das nicht. Die Leute, die hierher kommen, haben ihre Gründe. Homosexuelle zum Beispiel werden nicht im gleichen Maße toleriert wie hier.
Ihre sechs Geschwister möchten aber nicht nach Deutschland kommen?
Nein. Auch ich selbst wäre ohne den Fußball nicht gekommen.
Und Sie werden auch hier bleiben.
Ich bin jetzt 48, mein Leben habe ich zur Hälfte im Senegal und hier verbracht. Der Senegal ist mein Land, aber hier habe ich zu viele Freunde und Unterstützer, die an mich glauben und die mir ihre Kinder anvertrauen. Ich habe von dem Land profitiert, und das Land profitiert von mir. Und so soll es auch weitergehen.