Südkorea : Die Krieger des Internets
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Ma Jae-yoon genießt kultische Verehrung Bild: CJ Entus
Südkorea ist das Paradies der Computerspiele. Jeder dritte Südkoreaner spielt. Manche leben davon wie Ma Jae-yoon, der „Savior“, ein Popstar der Szene, der vor großem Publikum immer wieder das Universum retten muss. Anne Schneppen berichtet aus Seoul.
Draußen warten die Fans seit Stunden auf Einlass, kreischend, Fähnchen schwenkend, mit Spruchbändern und Maskottchen für ihr Idol. Er nennt sich Savior, der Retter des virtuellen Universums, und wird in seiner Heimat Korea gefeiert wie ein Rockstar.
Ma Jae-yoon, auch bekannt als Maestro, ist der Champion, an dem sich alle messen. Hinter der Bühne werden gerade die letzten Vorbereitungen getroffen, Kabel gelegt, Flachbildschirme und Lautsprecheranlagen getestet. Im weißen Rennfahreranzug, gespickt mit den Logos seiner Sponsoren, kommt Ma nervös und bleich aus der Umkleidekabine, sein Trainer gibt ihm noch ein paar taktische Ratschläge, dann geht es in die Maske.
Ein Heer von Helfern springt um ihn herum, einer überschminkt die Pubertätspickel, ein anderer gelt das Haar in Form. Ma spricht kein Wort. Die letzten Minuten vor dem Duell verbringt er in meditativer Konzentration, im Geiste lässt er wahrscheinlich schon die Truppen aufmarschieren und Laserkanonen richten. Savior gegen Midas, der Kampf der Titanen. Sie treten keine Bälle, sie schwingen keine Schläger, sie bewegen Bits und Bytes.
„Mehr Energie, Kommandant!“
Ma ist ein Computerspieler, seine Disziplin heißt „Starcraft“. Darin ist er seit Monaten der Beste im Land. Als Profi verdient er im Jahr 300 Millionen Won, 250.000 Euro, einschließlich der Preisgelder aus den Turnieren. In seinem Fanclub sind 17.000 Mitglieder registriert. Wenn der zwanzig Jahre alte Champion auftritt, schauen Hunderttausende zu, zwei Kabelkanäle senden Tag und Nacht nichts anderes als die Kunst des professionellen Computerspiels.
Das E-Sport-Stadion in Seoul thront auf einem ganz normalen Kaufhaus. Es ist Mittwochnachmittag und die Arena gefüllt bis auf den letzten Stehplatz. Savior und Midas nehmen unter Fanfaren und Nebelwerfern in zwei gläsernen Kapseln Platz, die aussehen, als kämen sie geradewegs aus dem Weltall herabgeschwebt.
Auf einem gewaltigen Bildschirm formieren sich ihre Heere. Dann beginnt eine Schlacht um die galaktische Vorherrschaft, die nur Eingeweihte verstehen können. Tausende Krieger, Hunderte Raumschiffe ziehen über den Monitor, um kurz darauf in einem flammenden Inferno aufzugehen. „Du wirst angegriffen! Du brauchst Nachschub! Mehr Energie, Kommandant!“
„Kein Land kann es mit uns aufnehmen“
Wir schreiben das Jahr 2499 nach Christus. Draußen am Rand der Galaxie kämpfen menschliche Terraner um ihr Überleben, vor allem gegen die bösen Zerg, die in Schwärmen über ganze Sonnensysteme herfallen. Nicht minder gefährlich sind die außerirdischen Protoss, die auf dem Planeten Chau Sara alles Leben vernichten.
Schneller als die Hände eines Klaviervirtuosen gleiten Saviors Finger über die Tasten. „Es sind Soldaten, die statt meiner kämpfen, jeder Soldat ist mein Soldat, jeder untersteht meinem Willen und meiner Kontrolle“, versucht der schmächtige Profispieler später seine Faszination zu erklären.
Für Kim Tae-hyung, von Beruf Starcraft-Kommentator, gibt es gute Gründe, warum Koreaner in diesem Spiel führend sind: „Wir sind superschnell, wir lieben taktische Spiele, Elektronik und das Internet. Wir sind fingerfertig und wettkampfbegeistert. Kein Land kann es mit uns aufnehmen.“
Beispielloses Breitbandnetz
Korea ist das Paradies der Computerspieler. Etwa 18 Millionen Menschen, mehr als ein Drittel der Bevölkerung, sind als Teilnehmer eines Online-Spiels registriert. Sechs von zehn Koreanern im Alter von neun bis 39 Jahren stufen sich als „regelmäßige Online-Gamer“ ein. Die Starcraft-Gemeinde zählt fünf Millionen aktive Spieler, an Wochenenden ist eine Million im Netz.
Das Spiel der amerikanischen Firma Blizzard kam 1998 auf den Markt, als in Südkorea der Internetboom seinen Anfang nahm. Damals, nach dem Ende der Finanzkrise in Asien, suchte die Regierung verzweifelt nach Wachstumsmärkten und entschied sich für das Internet. In wenigen Jahren wurde ein beispielloses Breitbandnetz über das Land gelegt.
25.000 öffentliche Computerspielzimmer