„Lieber Kunde“ : Sparkassen-Kundin kämpft vor BGH um weibliche Anrede
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Will kein Kunde sein: Marlies Krämer im Bundesgerichtshof Bild: dpa
„Ich werde von meiner Bank praktisch totgeschwiegen“: Eine Frau klagt gegen die Sparkasse Saarbrücken, weil sie von dieser als „Kunde“ angeschrieben wird – und nicht als „Kundin“. Es ist ein Kampf, den sie schon lange führt.
Liebe Leser, fühlen Sie sich diskriminiert? Jedenfalls die Frauen unter Ihnen, die durch diese Ansprache totgeschwiegen und zudem geschlechtsumgewandelt werden? Absurd, sagen Sie? Nicht so absurd, dass sich der Bundesgerichtshof am Dienstag nicht mit einer Klage aus ebendiesem Grund hätte befassen müssen.
Beklagt war dort allerdings nicht FAZ.NET, sondern die Sparkasse Saarbrücken, die in ihren Formularvordrucken vom „Kunden“ oder „Darlehensnehmer“ spricht, nicht aber von der „Kundin“ oder der „Darlehensnehmerin“. Die Vorinstanzen sahen darin kein Problem: Schließlich seien Frauen von diesen Begriffen nach allgemeinem Sprachgebrauch ebenso umfasst wie Männer. Sogar der Gesetzgeber verwende das generische Maskulinum, und was der nicht für nötig halte, das könne von einer einfachen Sparkasse kaum verlangt werden.
Die Klägerin empfindet das freilich anders. „Ich bin heute hier, weil ich eine selbständige Frau bin. Kein Mann zahlt für mich, ich habe allein vier Kinder großgezogen und zahle für mich selbst, aber ich werde von meiner Bank praktisch totgeschwiegen“, sagte Marlies Krämer nach der Verhandlung. Sprache sei Ausdruck von Denken und Fühlen, und beides könne sich nicht ändern, solange sich die Sprache nicht ändere. Dafür kämpft die Achtzigjährige schon lange: In den neunziger Jahren lebte sie mehrere Jahre ohne Personalausweis und sammelte Unterschriften, bis der Bundesrat 1996 beschloss, der Wendung „Unterschrift des Inhabers“ ein „der Inhaberin“ hinzuzufügen.
Vielzahl denkbarer Konstellationen
Im selben Jahr fällte das Bundesverfassungsgericht eine in diesem Zusammenhang bedeutsame Entscheidung. Es gab der Beschwerde einer inhaftierten Transsexuellen statt, die sich dagegen wehrte, dass das Gefängnispersonal sie trotz ihrer Geschlechtsumwandlung weiterhin als Mann ansprach. Das unterscheidet den Fall allerdings vom jetzigen: Denn natürlich sprechen die Bankberater der Sparkasse die Klägerin im persönlichen Gespräch und auch in direkt an sie gerichteten Schreiben als Frau an.
Nur ihre Formulare will die Bank nicht anpassen. Diese würden vom Sparkassenverlag zentral unter Beachtung bankenrechtlicher Vorgaben erstellt, der insoweit auch das Haftungsrisiko trage. Bei mehr als 800 Vordrucken für verschiedene Verträge, auf deren beiden Seiten sich jeweils ein oder mehrere Männer oder Frauen oder Personen beiderlei Geschlechts befinden könnten, ergäbe sich eine kaum überschaubare Vielzahl denkbarer Konstellationen. Diese würden durch die unlängst erfolgte Anerkennung eines dritten Geschlechts durch das Bundesverfassungsgericht noch einmal zusätzlich verkompliziert.
Ob diese praktischen Bedenken den BGH überzeugen werden, darf man bezweifeln – schließlich lassen sich Verträge automatisiert erstellen und die Begriffe dem Geschlecht der Parteien anpassen. Alternativ wären auch neutrale Formulierungen wie „darlehensnehmende Partei“ denkbar. Aber auf solche Detailfragen kommt es ohnehin nur an, wenn der Klägerin im Grundsatz ein Anspruch gegen die Bank auf Verwendung „geschlechtergerechter“ Formulare zusteht, etwa aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz oder dem Persönlichkeitsrecht in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot. Mit seiner Entscheidung zu dieser Frage will der BGH sich noch Zeit lassen – was jedenfalls zeigt, dass er sie nicht für vollkommen abwegig hält.