https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/software-erkennt-persoenlichkeit-mit-sprachanalyse-13596216.html

Persönlichkeitsanalyse : Deine Sprache verrät dich

Vorsintflutlicher Vorgänger von Psyware: Sharon Stone muss sich in „Basic Instinct“ 1992 einem Lügendetektor-Test unterziehen. Bild: Picture-Alliance

Wie fleißig ist dieser Bewerber? Lügt der Versicherte, der einen Schaden meldet? Eine Software hilft Firmen, solche Fragen zu beantworten. Genial – und unheimlich. Ein Selbstversuch.

          7 Min.

          Der Mann, der unser aller Leben entscheidend verändern könnte, trägt Schal, Sakko, Burlington-Socken mit rosafarbenem Muster und Jeans. Er wirkt wie ein harmloser Büromensch, und doch wird er mir gleich etwas zeigen, was mich erschüttern wird. Etwas, das zeigt, dass er unsere Zukunft zu einer Art brave new world machen könnte.

          Katrin Hummel
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Wenn alles so läuft, wie er sich das vorstellt, wird seine Erfindung in wenigen Jahren viele Bereiche unseres Lebens geradezu sciencefictionhaft umgewandelt haben: zum Beispiel wie wir einen Job finden, wie wir einen Partner finden, was unsere Krankenkasse über uns erfährt und warum wir gekündigt werden.

          Dirk Gratzel, so heißt der Mann, der mir in einem Konferenzraum in Aachen gegenübersitzt, hat Jura studiert und war danach erst Personalchef in einem großen Unternehmen und dann selbständiger Personalberater. Er ist 47, verheiratet, Vater von fünf Kindern und Chef der Firma Psyware, die aus der Sprache eines Menschen auf dessen Persönlichkeit schließt. Psyware ist zwei Jahre alt, ein Start-up, etwa 30 sogenannte High Potentials arbeiten dort - ITler, Psychologen, Linguisten und Leute, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen.

          Objektiver als Psychologen

          Was sie geschafft haben: anhand einer Sprachaufzeichnung von wenigen Minuten Dauer ein Persönlichkeitsprofil eines Menschen zu erstellen, das zu neunzig Prozent an das herankommt, was Psychologen mit verschiedenen Testverfahren in tagelanger Arbeit herausfinden, wenn sie diesen Menschen nach allen Regeln der Kunst auseinandernehmen.

          Gratzel und sein Team müssen den Menschen, dessen Profil sie anfertigen, gar nicht kennen. Sie müssen ihn nur ein paar Minuten sprechen hören. Das ist bahnbrechend und bietet einen Haufen Möglichkeiten, die Funktionsweise unserer Gesellschaft auf den Kopf zu stellen.

          Gratzel weiß das. Er ist sehr stolz auf das, was seine Firma tut. Er sagt Sätze wie: „Das ist das Faszinierendste, was uns jemals untergekommen ist.“ Er sagt: „Unsere Software liefert objektive Ergebnisse. Anders als ein Fragebogen, wo Sie selbst Auskunft über sich geben. Das Ergebnis ist objektiver als das, was Psychologen messen können, denn wie wir sprechen, das können wir kaum bewusst steuern, sobald wir länger als ein paar Minuten reden.“

          15 Minuten Gespräch mit einer Maschine

          Er sagt: „Wie die Maschine analysiert, unterscheidet sich fundamental von der Art, in der Sie jemanden betrachten. Das sind hochleistungsfähige MRTs auf Molekularebene, da brauchte man viele Jahre, wenn man das alles selbst herausfinden wollte.“

          Dann steht er auf, geht in sein Büro und kehrt mit einer grünen Klarsichtfolie zurück an den Besprechungstisch. Darin stecken sechs DIN-A4-Seiten voller Balkendiagramme, Fünfecke und Tabellen.

          Dirk Gratzel, Chef der Firma Psyware, in einem Aachener Rechenzentrum
          Dirk Gratzel, Chef der Firma Psyware, in einem Aachener Rechenzentrum : Bild: Edgar Schoepal

          Jetzt wird es spannend und gleichzeitig fast beängstigend. Ich hatte vor dem Treffen gefragt, ob es möglich sei, dass auch meine Sprache analysiert werde. Das war es. Man hatte mich gebeten, eine knappe Viertelstunde lang mit einer Computerstimme zu telefonieren und Fragen zu beantworten wie: „Beschreiben Sie einen typischen Sonntag“, „Beschreiben Sie ein besonders schönes Erlebnis, das Sie in den letzten Wochen hatten“ oder „Welche Sorgen hatten Sie in den vergangenen Wochen?“. Psyware hat meine 1531 gesprochenen Wörter aufgezeichnet und durch das Analyseprogramm mit dem Namen „Precire“ gejagt. Jetzt legt Gratzel das Ergebnis vor.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Rückenwind für die Wärmepumpe könnte bald auch aus Brüssel kommen.

          Neuer Entwurf : EU-Kommission arbeitet an schärferen Vorgaben für Heizungen

          Berlin streitet, Brüssel handelt: Von 2029 an sollen in der EU neue Vorgaben für die Effizienz von Heizungen gelten, die Öl und Gas nicht erfüllen können. Die FDP befürchtet technologische Vorentscheidungen durch die Hintertür.

          Alena Makeeva und Lindemann : Am Ende war’s doch wieder die Frau

          Die Band Rammstein trennt sich von Alena Makeeva, der vorgeworfen wird, junge Frauen für Till Lindemann angesprochen zu haben. Richtig so. Aber sollte nicht eigentlich Lindemann Konzertverbot bekommen?
          Hatte als CNN-Chef nur ein Jahr: Chris Licht im Dezember 2022.

          Nach Chaos-Jahr : CNN-Chef Chris Licht muss gehen

          Der Produzent Chris Licht kam vor einem Jahr als Hoffnungsträger zu CNN. Doch mit ihm wurde bei dem einst führenden amerikanischen Nachrichtensender alles noch chaotischer. Jetzt ist er seinen Job los.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.