Shaolin-Mönche in Kaiserslautern : Mit dem Chi zum Bruchtest
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Eine Frage der inneren Ruhe: Novize Shi Xiao Feng trainiert mit seinem Partner traditionelle Kampfkunst Bild: F.A.Z. / Felix Seuffert
Den einzigen Shaolin-Tempel Europas, in dem Kampfmönche ausgebildet werden, findet man in der Pfalz. Novizen trainieren hier täglich. Unterrichtet wird Kung Fu, aber auch Buddhismus und Meditation. Ein Besuch im Kloster.
Mönche mit kahlrasiertem Kopf und in traditioneller Robe, nein, die vermutet man nun wirklich nicht in dem alten Haus an einer vielbefahrenen Straße mitten in Kaiserslautern. Dabei befindet sich hinter diesen Mauern der einzige Shaolin-Tempel Europas, der Kampfmönche auch ausbilden darf. „Es ist eine unglaublich harte Schule“, sagt der Leiter des Tempels, der buddhistische Abt Shi Heng Zong. Denn wer Kampfmönch werden möchte, muss nicht nur die verschiedenen Techniken des Shaolin Kung Fu perfekt beherrschen, sondern wird auch über mehrere Jahre in Buddhismus, Taoismus, traditioneller chinesischer Medizin und vielem mehr unterrichtet.
Gekleidet in ein braunes Alltagsgewand für Mönche, führt der Abt durch das mit traditionellen Waffen und Buddha-Statuen geschmückte Haus. Der herbe Duft von verglühenden Räucherstäbchen liegt in der Luft. Im Erdgeschoss befinden sich Konferenz- und Gebetsraum und ein weltlich ausgestattetes Büro, in den zwei weiteren Stockwerken liegen die Schlafräume der Mönche. „Es leben sieben Ordensmitglieder gemeinsam hier“, sagt der Abt. Unter ihnen auch die zwei Novizen, die in der Ausbildung zum Shaolin-Kampfmönch stehen. Einer von ihnen ist der 19 Jahre alte Shi Xiao Feng. Mit dem Eintritt ins Kloster vor zwei Jahren hat er seinen bürgerlichen Namen Julian gegen einen chinesischen eingetauscht.
„Die absolut richtige Entscheidung für mich“
„Seit ich acht Jahre alt bin, mache ich Kampfsport, erst Karate, dann Judo und Thai-Boxen“, sagte der durchtrainierte junge Mann mit glattrasiertem Schädel. Im Fernsehen habe er dann Kung-Fu-Filme gesehen und gewusst: „Das will ich lernen.“ Seine Eltern schenkten ihm den zweiwöchigen Probeaufenthalt im Kloster zu Weihnachten und zum Geburtstag. „Damals war ich 16 Jahre alt, und das Training war extrem anstrengend. Viel härter noch, als ich es mir vorgestellt hatte.“ Mit 17 Jahren hat er sich dann entschieden, seine Lehre als Graveur an den Nagel gehängt und sich für das Noviziat beworben.
„Es war die absolut richtige Entscheidung für mich“, sagt er beim Training im nahe gelegenen Park. In eine graue Robe gehüllt, die bis zu den Knien reicht, macht er erst ein paar Dehnübungen, bevor er mit geschlossenen Augen die Handflächen vor der Brust aneinanderlegt. Sein Trainingspartner, der 20 Jahre alte Shi Heng Zuan, hält eine mehrere Zentimeter dicke Holzstange in beiden Händen. Dann geht alles ganz schnell: Der Novize Shi Xiao Feng hebt sein rechtes Bein im 90-Grad-Winkel, und Shi Heng Zuan zerschlägt die Holzstange auf dem Oberschenkel. „Wir nennen das den Bruchtest“, sagt Shi Heng Zuan, und Shi Xiao Feng, alias Julian, verzieht keine Miene. „Wenn man das Chi richtig sammelt, tut der Schlag nicht weh“, sagt er. Aber es ist auch eine Sache des Trainings, und das kommt im Kloster nicht zu kurz.
Drei Stunden Training bevor es Cornflakes gibt
„Gemeinsam stehen wir um 5.30 Uhr auf“, sagt der Novize. Noch vor dem Frühstück wird drei Stunden trainiert: Dauerlauf, Akrobatik, Tiger Kung Fu, was eben gerade so auf dem Ausbildungsplan steht. Nach dem Frühstück, im Kloster gibt es auch so weltliche Dinge wie Cornflakes, wird gemeinsam ein Gebet gesprochen. Dann folgt Theorieunterricht: chinesische Sprache etwa, Kalligraphie, Geschichte des Buddhismus. Darauf legt Abt Shi Heng Zong wert: „Wir sind keine Kampfkunstschule mit Altarecke.“ Die Novizen erhalten die volle Ausbildung zum buddhistischen Mönch.