Rassismus-Debatte : Ein Fall für sich
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Selbstbewusst, ironisch, antireligiös: Shapira (hier im Jüdischen Museum in Berlin) ist in Israel geboren und kam mit 14 Jahren nach Deutschland. Bild: Jens Gyarmaty
Shahak Shapira wurde bekannt, nachdem er in der Berliner U-Bahn antisemitische Gesänge filmte und dafür verprügelt wurde. Jetzt soll er häufig was sagen, wenn eine jüdische Stimme gefragt ist – er, der von sich selbst sagt, er sei der schlechteste Jude der Welt.
Wie findet man heraus, ob man einen Juden vor sich hat? Ganz einfach. Man wirft eine Münze. Wenn die Münze weg ist, bevor sie den Boden berührt hat, handelt es sich um einen Juden.
Shahak Shapira lacht. Den „Judentest“ hat er sich ausgedacht. Ein Witz, was sonst. Und das Beste an seinen Witzen, wie der junge Berliner findet, ist das Entsetzen in den Gesichtern seiner Zuhörer, wenn sie nicht wissen, dass er selbst Jude ist. Dabei, sagt Shapira, sei er der schlechteste Jude der Welt. Das Jüdischste an ihm seien sein „beschnittener Schniedel“ – und seine Judenwitze.
Shapira, 26 Jahre alt, ist in Israel geboren und im Alter von 14 Jahren nach Deutschland gezogen. Der Großvater mütterlicherseits war als Einziger seiner Familie um Haaresbreite dem Holocaust entkommen. Der andere, Trainer der israelischen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen von 1972, starb auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck als Geisel palästinensischer Terroristen.
Generalverdacht gegen Muslime ist Blödsinn
Der Enkel nun ist in der Silvesternacht Opfer einer Attacke vermutlich arabischstämmiger Jugendlicher geworden, die in einer vollen Berliner U-Bahn zunächst unbehelligt „Fuck Israel“ und „Fuck Juden“ gerufen hatten. Der Israeli hatte die Szene gefilmt und war daraufhin angegriffen worden, jetzt am Mittwoch wurde einer der mutmaßlichen Täter in Neukölln festgenommen. Aber noch während Shapira seine Blessuren auskurierte – „eine leichte Gehirnerschütterung und ein paar Beulen“ –, postete er auf Facebook Witze, mit denen er sich gegen Vereinnahmungsversuche durch Islamhasser wehrte.
Seitdem ist Shahak Shapira ein gefragter Mann: Interviews. Zeitungsartikel. Fernsehbeiträge. Längst hat der freiberufliche Art Director, der an der Miami Ad School in Berlin und im Ausland studierte, einen Buchvertrag in der Tasche. Und wenn der Zentralrat der Juden aus Sorge über wachsenden Antisemitismus rät, in muslimisch geprägten „Problemvierteln“ keine Kippa mehr zu tragen, heißt es prompt in einem Online-Magazin, „junge Juden in Berlin“ würden widersprechen. Wichtigster Beleg: Shahak Shapira.
Der fährt zwar just zu diesem Zeitpunkt mit seinen Cousins aus Israel Snowboard. Aber auch aus der Ferne lässt er sich bereitwillig mit einem Joke zitieren: „Soll man sich nun auch die Vorhaut wieder drankleben, damit man in den ,Problemvierteln‘ beim Duschen nicht auffällt?“ Shapira wäre der Letzte, der Antisemitismus verharmlosen würde. Einen Generalverdacht gegen Muslime jedoch nennt er rassistisch: „Das ist eine pauschale Aussage. Das ist Blödsinn.“
Eine trinkfreudige Religion
So hip, so ironisch, selbstbewusst und medienaffin kennt man das Judentum in Deutschland bisher kaum - und so antireligiös. Fast wirkt es, als könnte Shahak Shapira in den Debatten über Antisemitismus und Islamismus die Stimme einer neuen, säkularen Generation verkörpern. Aber so einfach ist es nicht. Shapira ist kein Muster, er ist ein Solitär.