Sexualaufklärung : Mama, Papa, wo seid ihr?
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Familiäre Vielfalt: Abbildung aus dem Buch „Ein Baby!“ Bild: Illustration Clare Owen
Aufklärungsbücher sind oft nützlich, manchmal peinlich, stets umstritten. Ein neues Buch will das klassische Familienbild modernisieren und diverser gestalten.
Was Kinderfragen angeht, ist man nach langen Jahren als Vater halbwegs gewappnet. Man kennt die Bandbreite von Themen, die ganz unvermittelt angesprochen werden können: Wie groß ist der Jupiter? Wozu braucht man die Milz? Wie viele Wochen habe ich bereits gelebt? Und man weiß diese Fragen zu beantworten, wenn auch häufig mit dem Standardsatz: „Das kann ich dir leider nicht genau sagen, da muss ich mal im Internet nachgucken.“
Ab und zu aber gibt es Situationen, in denen die ganze Routine nicht hilft. Der Moment zum Beispiel, in dem ein zehn Jahre altes Mädchen, das heimlich die alten Bravo-Ausgaben der großen Schwester durchstöbert hat, fragt: „Papa, was ist eigentlich ein Samenerguss?“
Allein oder zu zweit
Tja. Nun. Eine rein technische Antwort führt nicht recht weiter, es braucht schon einen größeren Kontext, womit wir beim Orgasmus wären, der eine ganz interessante Sache ist und den es übrigens, ganz wichtig, denn es wird ja mit einem Mädchen geredet, auch bei Frauen gibt, und wenn man jetzt ins Dozieren gerät über sexuelle Selbstbestimmung und über Gefühle, die man zu zweit und, nebenbei bemerkt, auch allein erleben kann, dann hat man am Ende schlimmstenfalls viel mehr erzählt, als das Kind von seinem Vater je hören wollte. Am besten lenkt man das Gespräch dann rasch auf den Jupiter, der übrigens einen Durchmesser von 143.000 Kilometern hat.
Nun ist man, wenn man etwas Glück hat, angesichts kindlicher Fragen nach der menschlichen Fortpflanzung nicht ganz auf sich allein gestellt. Es gibt, idealerweise, einen unbefangenen, eloquenten Partner, es gibt – sofern nicht dem Lockdown geopfert – Sexualkunde als Schulfach, und es gibt den Freundeskreis des Kindes, der freilich eher mit farbenfrohem Vokabular beeindruckt als mit biologischem Tiefenwissen. Und es gibt Bücher. Solche für Teenager, aber auch welche für kleinere Kinder, mit unterschiedlichsten Ansätzen. All diese Bücher haben meist beste Absichten, oft sind sie nützlich, oft auch etwas peinlich, fast immer aber umstritten. Den einen sind sie zu explizit, anderen zu prüde, zu altmodisch oder zu progressiv. Auch das Buch „Ein Baby! Wie eine Familie entsteht“, das diese Woche bei Penguin Junior erscheint, wird für Diskussionen sorgen.
Alle Formen
Der Verlag bewirbt das Werk der Londoner Kinderbuchlektorin Rachel Greener als „Aufklärungsbuch, das alle Familienformen einschließt“ und auch „alle Körperformen“ – und damit abbildet, „was schon längst gesellschaftliche Realität ist“. Da ist was dran, und dass das Buch in Viktor Orbáns Ungarn sofort auf dem Index landen würde, ist nicht das Schlechteste, was man derzeit über ein Aufklärungsbuch sagen kann.
Auf vielen niedlichen, bunten Bildern zeigt die Illustratorin Clare Owen Paare, von denen einer dunkle und die andere helle Haut hat. Paare, von denen einer im Rollstuhl sitzt, und rein weibliche oder männliche Paare. Menschen mit Kind ganz ohne Partner und Eltern, die zu dritt sind. „Du und deine Familie, ihr seid einfach großartig – so wie ihr seid!“, versichert die Autorin der jungen Leserschaft.