„Da sitzt jemand freiwillig im Rollstuhl“
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Hätte Stefan Muth die Wahl gehabt, er hätte sich die Sehnsucht weggewünscht, nicht die Beine. Bild: © Laila Sieber
Ein Priester sehnte sich danach, seine gesunden Beine amputieren zu lassen. Heute weiß er, dass er unter einer seltenen Krankheit leidet. Darf man freiwillig seinen gesunden Körper einschränken? Und wer entscheidet darüber?
Stefan Muth führte ein Doppelleben. Das eine auf Beinen, das andere auf Rädern. Nachts lag er oft wach, rätselte, wo genau seine Beine lagen, die er nicht spürte. „Einfach amputieren“, dachte er und träumte von Beinschienen, Schuhen und Krücken. Es war eine Sehnsucht, ein Zwang, eine Krankheit. Hinter verschlossenen Türen und zugezogenen Vorhängen lebte er im Rollstuhl. Es widerte ihn an. Es tat ihm gut. Bis er das Versteckspiel nicht mehr aushielt. Er musste sich entscheiden.
Muth, Katholik und Hilfspriester, 65 Jahre alt, wartet vor der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck. Er spielt mit den Speichen seines Rollstuhls, reibt die Bügelfalte seiner Hose zwischen den Fingern. Ein Ehepaar steigt die Treppen zu ihm hinauf. Händeschütteln. Lautes Lachen. Er wird hier mit „Pfarrer Muth“ begrüßt, obwohl er als Hilfspriester dem Lübecker Pfarrer untersteht.
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