Schauspieler Milan Peschel : Er ist damit beschäftigt, glücklich zu sein
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Im Kreise seiner Lieben, von ihm selbst porträtiert: Milan Peschel, hier in seiner Wohnung in Prenzlauer Berg. Bild: Julia Zimmermann
Sein halbes Leben schon ist Milan Peschel Schauspieler. Doch erst mit Mitte Vierzig wurde er zum Star. Ein Hausbesuch bei einem der markantesten Charakterköpfe Deutschlands.
Zweieinhalb Kilometer sind es nur vom Deutschen Theater bis zu dem vietnamesischen Restaurant, das Milan Peschel fürs Mittagessen vorgeschlagen hat, viermal abbiegen und dann immer geradeaus die Linienstraße entlang. Der Schauspieler schafft unterwegs drei Begegnungen. Die erste ist ein junger Kollege aus dem DT-Ensemble, den er von der Arbeit kennt. Eine hölzerne Männerumarmung, noch bevor Peschel sein Damen-Hollandrad besteigt. Die zweite ist Katja Riemann. Als es mitten auf einer Kreuzung plötzlich „Hallo, Milan!“ kreischt, schimmern durch das geöffnete Fahrerfenster eines Kleinwagens erdbeerblonde Zöpfchen. Die dritte Begegnung ist ein freundlich winkender Lulatsch, der auf der Linienstraße in die Gegenrichtung radelt. Peschel winkt zurück, zieht dabei aber seinen Kopf noch eine Spur tiefer zwischen die Schulterpolster seines Sommeranzugs, so dass er an eine gutmütige Schildkröte erinnert. Keine Ahnung, wer das jetzt gewesen sei, gibt er zu und flachst, er habe das alles arrangiert, um vorzuführen, wie prominent, wie begehrt, wie beliebt er gerade sei.
Milan Peschel, 47 Jahre alt, schon die Hälfte seines Lebens Schauspieler und eines der ungewöhnlicheren deutschen Kino- und Fernsehgesichter, erlebt seit seinem ersten Blockbuster („Schlussmacher“, 2013) etwas, das er selbst so beschreibt: „Ich sage immer: meine fünf Minuten.“
Reiten lernen für die Winnetou-Neuverfilmung
Tatsächlich ist Peschel, abonniert auf Underdogs, Freaks und nur bedingt sympathische Verlierertypen, derzeit überall. Ende März ist mit „Der Nanny“ ein neuer massengängiger Klamauk seines Freundes Matthias Schweighöfer angelaufen. Vorher und hinterher feierte Peschel als Regisseur Premieren an Theatern in Heidelberg und Wien. Es folgte ein Auftritt in „Rico, Oskar und das Herzgebreche“. Anschließend Dreharbeiten zu der Komödie „Männertag“, in der Peschel gegen den Strich als biederer Lehrer besetzt ist. Nächste Woche kommt die Gangsterkomödie „Desaster“ ins Kino. Parallel dazu lernt Peschel reiten: Im August geht es schließlich mit der Winnetou-Neuverfilmung los, in der er die Rolle des Trapper-Zausels Sam Hawkens übernommen hat.
Zwischendrin, bei „Münchhausen“, einer Koproduktion des Deutschen Theaters mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen, steht Peschel erstmals fast allein auf der Bühne. „Das ist ein Stück über mich“, ist einer der ersten Sätze, die sein Lieblingsautor Armin Petras ihm auf den Leib geschrieben hat in einer selbstironischen Reflexion über die Schauspielerei und das Leben, wobei absichtsvoll verschwimmt, ob gerade das eine oder das andere gemeint ist. Solo für einen Anti-Helden. Der Kauz als Star.
Besuch bei den Endproben. Das Blau des Bühnenanzugs ist dunkler als Peschels eigenes Modell, eine Brille aus Fensterglas, dazu Melone, Regenschirm, ein Stuhl. „Spielst du normal mit Kontaktlinsen?“, fragt Regisseur Jan Bosse und lacht, als herauskommt, dass Peschel sich mit zwei Dioptrien Unschärfe durchaus wohlfühlt auf der Bühne. Dann wird probiert, und fast die ganze Zeit redet Peschel. Er plaudert mit einem Publikum, das gar nicht da ist, schleudert Worte in den Raum oder nuschelt sie weg. Dazu schlendert er von rechts nach links, fläzt sich auf seinem Stuhl oder beißt in ein Käsebrötchen. Mal kräuselt er die Stirn wie die Jahresringe eines Baumes, mal faltet er sie zu steilen Linien. Und wenn er zwischendurch niesen muss und auf seinen Heuschnupfen schimpft, fragt man sich, ob das vielleicht zum Stück gehört. So organisch wirkt alles.